„Wir können unsere Interessen nur selbst vertreten“ – Der neue BVA-Vorsitzende Daniel Pleger zur AAD und berufspolitischen Fragen

Vom 6. bis 9. März trifft sich die ophthalmologische Community wieder in Düsseldorf – zur 24. Ausgabe der AAD. Ein Interview mit dem neuen BVA-Vorsitzenden Daniel Pleger über das Kongressprogramm, die Akzente in seiner Verbandsarbeit, die augenärztliche Versorgungssituation in Deutschland und den Fachkräftemangel in der Ophthalmologie.

Daniel Pleger. Bild: BVA
Daniel Pleger. Bild: BVA

Daniel Pleger ist seit vielen Jahren im BVA aktiv. Angefangen als Referent für die augenärztliche Akademie Deutschlands (AAD), übernahm er weitere Aufgaben im Verband, u.a. als Ressortleiter „Augenärztliches Assistenzpersonal“ und Initiator des eLearning-Quereinsteigerkurses. Zuletzt engagierte er sich als Vorstandsmitglied sowie als kommissarischer Pressesprecher. Seit November 2023 ist der niedergelassene Augenarzt 1. Vorsitzender des BVA.

Warum sollten Augenärztinnen und Augenärzte die diesjährige AAD auf keinen Fall verpassen? 

Man sollte natürlich keine AAD verpassen! Der Kongress lebt vom persönlichen Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen und ist eine ideale Plattform zum Austausch und zur Fortbildung. Die Kolleginnen und Kollegen erwartet wieder ein hochkarätiges und abwechslungsreiches Programm mit vielen Impulsen und spannenden Themen. Insbesondere die Wetlabs und die Nahtkurse sind in diesem Jahr sehr beliebt. 

Und was wird dem Augenärztlichen Assistenzpersonal geboten? 

Das AAP-Programm ist auch in diesem Jahr vielfältig und abwechslungsreich. Neu in diesem Jahr ist eine Videothek im AAP-Programm, damit sich unser medizinisches Personal Videos von Eingriffen und operativen Techniken anschauen kann. Auch haben wir den Kurs „Notfallmanagement in der Augenarztpraxis“ mit neuen Referenten besetzt und erwarten hier eine qualitativ hochwertige Fortbildung mit neuen Impulsen. 

Welche Veranstaltungen wenden sich vor allem an den augenärztlichen Nachwuchs? 

Ein absolutes Highlight sind hier natürlich die Facharzttutorien. In diesem Jahr stehen Kinderophthalmologie, Neuroophthalmologie und Retina zur Vorbereitung auf die Facharztprüfungen im Vordergrund. Ansonsten bildet die AAD das Fach in seiner ganzen Breite ab. Die Kurse z.B. zur Skiaskopie oder auch die Wetlabs bieten dem Nachwuchs die Möglichkeit auch praktisches Wissen zu erlernen. Wer aber schon einen Blick weiter nach vorne wirft, interessiert sich vielleicht schon für das Existenzgründungs- und Niederlassungsseminar. Den Kurs haben wir nach 2 Jahren Pause wir wieder zurück ins Programm genommen, jedoch auf einen halben Tag begrenzt, weil neun Stunden Vortrag am Stück auch abschreckend wirken können. Die meisten Themen aus den Bereichen Praxisführung und Organisation kann man schließlich auch einzeln buchen. 

Sie sind seit November 2023 erster Vorsitzender des BVA. Welche Akzente möchten Sie in Ihrer Verbandsarbeit setzen? 

Ich möchte durch meine Tätigkeit zeigen, wie wichtig die berufspolitische Arbeit für jüngere Generationen ist und dass man sich eben nicht drauf verlassen kann, dass diese Arbeit schon jemand macht. Dieser „jemand“ ist nicht von allein da und wir können unsere Interessen nur selbst vertreten. Auch habe ich mich nach über zehn Jahren in der Anstellung bewusst für die Niederlassung entschieden und möchte so ein paar Impulse geben, damit diese Form der Berufsausübung weiter attraktiv bleibt. Das Thema Entbudgetierung ist für mich sehr wichtig, da die Budgets aus gänzlich anderen Zeiten stammen und vollkommen überholt sind. Eine vollständige und leistungsgerechte Bezahlung ist auch für die Nachwuchsgewinnung und die Attraktivität des Berufs wichtig.  

Was hat Sie motiviert, sich für den BVA zu engagieren? 

So wie es aussieht, werde ich noch eine ganze Weile als Augenarzt arbeiten und ich möchte dabei weder in meiner Praxisführung und noch weniger in meiner Patientenversorgung von außen fremdbestimmt werden. Als Ärzteschaft müssen wir aufpassen, dass nicht immer mehr Politiker, Krankenkassen und andere Bürokraten über unsere Tätigkeit entscheiden. Das geht nur über einen Verband wie den BVA, jeder einzelne von uns hat da keine Chance. Die berufspolitische Arbeit und das Prinzip der Selbstverwaltung sind ein Privileg, das wir schätzen und erhalten müssen. Es gibt derzeit viele ideologisch motivierte Vorstellungen, diese Privilegien abzuschaffen und eine Staatsmedizin durch die Hintertür zu etablieren. Es ist unerlässlich, dass man sich in dem System auch selbst engagiert, eben um Beruf und Berufung zu erhalten und „etwas zurückzugeben“. Ich bin fest davon überzeugt: Man kann nicht immer nur konsumieren und meckern, dass es nicht besser wird, wenn man nicht selbst etwas dafür tut. Diese feste Überzeugung treibt mich so an. 

Auf welche berufspolitischen Themen wird sich der BVA in der nächsten Zeit besonders fokussieren? 

Wir werden uns weiterhin für eine vollständige und leistungsgerechte Honorierung einsetzen und unser Fachgebiet so gut es geht vor allen „Angriffen“ schützen. Gleichzeitig müssen wir die Chancen und Herausforderungen der Zukunft angehen, wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Hierbei gilt es herauszufinden, wie digitale Anwendungen ärztlich ausgerichtet und konstruktiv in den Alltag integriert werden können Bei der sinnvollen Digitalisierung sieht man hervorragend, wie eine technisch schlechte Umsetzung gute Innovationen behindert und untauglich macht. Auch bei der maßlosen Bürokratie fordern wir als Verband immer wieder den Abbau von Regulationen und sinnlosen Kontrollmechanismen, die im Alltag die Patientenversorgung behindern und nur noch mehr Bürokratie bedeuten. Das Thema „Nachhaltigkeit“ wird in der Medizin und auch in der Augenheilkunde zunehmend an Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus werden auch immer wieder Themen von außen (z.B. durch Gesetzesvorhaben) an uns herangetragen, auf die wir agil reagieren. 

Deutschland zählt weltweit zu den Staaten mit der höchsten Augenarztdichte. Trotzdem hört man immer wieder, dass vor allem in ländlichen Regionen die Versorgung nicht ausreichend sei. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein? 

Es gibt regional große Unterschiede in der Versorgung. Das ist nicht nur bei der Augenheilkunde so. Der Fachkräftemangel gehört auch zu den Gründen, warum die Augenarztpraxen täglich am Limit arbeiten. Das Problem war viele Jahre absehbar. Die Gesellschaft wird immer älter, was mit einem steigenden Bedarf an ärztlicher Versorgung einhergeht. Hier hätte man frühzeitig gegensteuern müssen. Entweder durch mehr Medizinstudierende, Abbau von versorgungsfeindlicher Kontrollbürokratie und anderen Zeitfressern oder durch eine ehrliche Diskussion über das unbegrenzte Leistungsversprechen. All dies wollte und will die Politik nicht. Es verwundert nicht, dass es eine Schieflage zwischen Nachfrage und Angebot (Patientenschaft und Ärzteschaft) gibt, wenn die ärztliche Bezahlung nur unvollständig erfolgt und dazu noch auf Katalogen beruht, die über 30 Jahre alt sind.  

Welche Strategien zur Verbesserung der Versorgung würden Sie vorschlagen? Wofür setzt sich der BVA ein? 

Es gibt nicht DIE Lösungen und Strategien, die alle Probleme beheben. Die Probleme sind zu vielschichtig und auch unterschiedlich einzuordnen. Der Fachkräftemangel wird sich nicht mittelfristig ändern und wir müssen also überlegen, wie wir die Ressourcen sinnvoll einsetzen und nicht an bürokratische Aufgaben verschwenden. Wir fordern deshalb einen schnelleren Abbau von bürokratischem Unsinn. Die Digitalisierung muss technisch ausgereift sein, um einen wirklichen Nutzen für die Ärzteschaft zu liefern, alle Leistungen müssen zeitgemäß und vollständig bezahlt werden und wir müssen dadurch auch wieder attraktiv für den Nachwuchs werden. Dr. Google und Co. können vielleicht Krankheitsbilder erklären, aber richtige Diagnose und Behandlung gehen eben nur ärztlich. 

Wie wird sich die augenärztliche Versorgung in Deutschland in den nächsten Jahren entwickeln – in einer alternden Gesellschaft, in der dementsprechend die altersbedingten Augenkrankheiten rapide zunehmen und in der gleichzeitig die Augenärztinnen und -ärzte aus den geburtenstarken Jahrgängen zunehmend in den Ruhestand gehen? 

Das wird auf jeden Fall eine große Herausforderung für uns alle sein. Die Ressourcen werden knapper werden bei gleichzeitig steigendem Bedarf. Eine 24/7 Mentalität für jede Zweit- Dritt- oder Viertmeinung ist so natürlich nicht mehr möglich. Hier wünsche ich mir mehr Ehrlichkeit von dem Bundesgesundheitsministerium. In den aktuellen Eckpunkten der Notfallreform sollen absurde Parallelstrukturen mit einer dauerhaften Bereitschaft aufgebaut werden, die nicht umsetzbar sind. Medizinische Versorgung ist ein hohes Gut und es wird Zeit, dass dies auch so vermittelt wird. Die Wertschätzung gegenüber den Leistungen der Ärztinnen und Ärzte – egal ob in Praxis oder Klinik – muss sich eindeutig ändern. Dann wird sich vielleicht auch der Umgang mit dem System ändern, sowohl von Politik als auch von den Patienten. 

Was wünscht sich der BVA von der Politik, um die Rahmenbedingungen für Augenärzte zu verbessern? 

Wir wünschen uns – insbesondere nach den letzten Monaten – mehr Wertschätzung und Respekt. Wenn ich an „tempi passati“ denke und die jüngsten Forderungen des Verbandes der Ersatzkassen, dann muss man sich ehrlicherweise die Frage stellen, ob man auf Augenhöhe miteinander sprechen möchte, oder ob man weiter das völlig unangebrachte „Ärzte-Bashing“ als Gesprächsgrundlage nehmen möchte. Außerdem wäre es sinnvoll, die rein ideologisch motivierten Zielsetzungen beiseitezulegen und sich über die Probleme in der täglichen Versorgung gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten auszutauschen. Wir arbeiten heute weitgehend immer noch in Strukturen, die geschaffen wurden, um eine Ärzteschwemme zu verhindern. Im Grunde ist dies absurd. Hier bedarf es eines konstruktiven Dialogs. Insbesondere die Augenheilkunde ist ein sehr weit ambulantisiertes Fachgebiet. Hier noch weiter eine zunehmende Ambulantisierung zu erzwingen, ist fast unmöglich, ohne die Sicherheit und die Qualität der Versorgung zu gefährden. Leistungen u.a. im Bereich der Kinderophthalmologie müssen ausreichend bezahlt werden. Gesetze im Bereich der Medizinprodukte müssen angepasst bzw. revidiert werden, damit weiterhin eine augenärztliche Versorgung auf hohem Niveau möglich ist und wir unseren Patientinnen und Patienten ein gutes Sehen erhalten. 

Wie engagiert sich der BVA, um junge Medizinerinnen und Mediziner für die Augenheilkunde zu gewinnen? 

Damit wir auch in Zukunft Augenärztinnen und Augenärzte haben, müssen sich die Rahmenbedingungen verbessern und dafür kämpfen wir als Verband auf allen Ebenen. Im Verband bieten wir verschiedene Möglichkeiten unseren augenärztlichen Nachwuchs zu betreuen. Wir haben zwei außerordentlich engagierte Assistentensprecher, Herrn Dr. Bachmann und Herrn Dr. Kiel, auch das Ressort „Angestellte Augenärztinnen und Augenärzte“ leistet mit Frau Dr. Lüdeke und Herrn PD Dr. Sebastian Siebelmann sehr gute Arbeit. So bieten wir unserem Nachwuchs eine Plattform für den Austausch und ein Netzwerk. Darüber hinaus bieten wir Fortbildungen, z.B. das Facharztrepetitorium, mit dem sich Weiterbildungsassistentinnen und -Assistenten optimal auf ihre Prüfungen vorbereiten können. Mit unserem Angebot möchten wir dazu beitragen, das Fachgebiet attraktiv zu halten. 

Um den medizinischen Nachwuchs für die Augenheilkunde zu begeistern, hat Eyefox die Video-Rubrik „Darum Augenheilkunde“ initiiert. Darin verraten Ophthalmologinnen und Ophthalmologen, was sie an ihrem Fachgebiet fasziniert. Deshalb auch an Sie die Frage: Warum haben Sie sich als junger Mediziner für das Fachgebiet Augenheilkunde entschieden und was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit als Augenarzt ganz besonders gut? 

Ich hatte das Fachgebiet der Ophthalmologie zunächst nicht in meiner Auswahl. Erst mit dem Kurs im achten Semester habe ich das Fachgebiet kennengelernt und war sofort begeistert. Mich haben die technischen Geräte und die Diagnostik, die Optik und auch die Möglichkeit einer operativen und konservativen Tätigkeit begeistert. Sehen ist für mich ein hohes Gut und Patientinnen und Patienten dabei eine medizinische Betreuung zu bieten, ist für mich sehr erfüllend. Die Vielschichtigkeit des Alltags mit verschiedenen Krankheitsbildern über alle Altersstufen ist eine Herausforderung und macht das Fachgebiet so spannend. Die modernen bildgebenden Verfahren, als Beispiel hier die OCT, sind für mich faszinierend und die Möglichkeit, die feinen Gewebe in vivo in der Auflösung darzustellen, ist jeden Tag wieder begeisternd. 

Interview: Achim Drucks