In welchen Fällen GKV-Patienten abgelehnt werden können ‒ und in welchen Fällen nicht

Vertragsärzte sind grundsätzlich zur Behandlung gesetzlich versicherter Patienten verpflichtet. Dies folgt aus der Pflicht zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Ausnahmen davon regelt § 13 Abs. 7 des Bundesmantelvertrags für Ärzte (BMV-Ä). In begründeten Fällen können Vertragsärzte die Behandlung eines Patienten ablehnen. Doch hierbei ist Vorsicht geboten.

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Die unberechtigte Ablehnung eines Patienten kann disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. So entschied das Sozialgericht (SG) München, dass die Ablehnung der Behandlung einer Kassenpatientin unter Verweis auf mangelnde Kapazitäten unzulässig sei. Es haperte in diesem Fall an einer plausiblen Begründung (Urteil vom 21.04.2021, Az. S 28 KA 116 / 18). 

Begründete Fälle für die Ablehung eines GKV-Patienten

Ein Vertragsarzt kann eine Behandlung nach § 13 Abs. 7 BMV-Ä ablehnen, wenn ein erwachsener Patient vor der Behandlung 

keine elektronische Gesundheitskarte vorlegt und 

kein Notfall besteht. 

Merke: Im Übrigen darf ein Vertragsarzt die Behandlung eines GKV-Versicherten nur in begründeten Fällen ablehnen. Ein begründeter Fall setzt voraus, dass der Vertragsarzt die Behandlung aus einem triftigen Grund verweigert. Ob ein triftiger Grund zur Behandlungsablehnung vorliegt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln; pauschale Betrachtungsweisen verbieten sich. 

Als triftiger Grund kommt beispielsweise ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patienten in Betracht, aufgrund dessen eine Behandlung unzumutbar ist. Tritt der Patient beispielsweise aggressiv oder durch sonst unqualifiziertes Verhalten auf, darf die Behandlung abgelehnt werden. Auch die Nichtbefolgung ärztlicher Anordnungen oder das regelmäßige Begehren von Wunschrezepten kann einen triftigen Grund darstellen, der zur Ablehnung der Behandlung berechtigt.

Ist das Patientenaufkommen in einer Praxis so hoch und der Vertragsarzt stark arbeitsüberlastet, sodass weder freie Kapazitäten bestehen noch eine qualitative Behandlung des Patienten gewährleistet ist, so darf der Vertragsarzt die Behandlung eines Patienten, abgesehen von Notfällen, ebenfalls ablehnen. Aus Beratersicht ist dies der häufigste Grund der Behandlungsablehnung. Eine verbindliche Grenze, ab wann eine Arbeitsüberlastung vorliegt, gibt es nicht. Diese Grenze dürfte auch in der Wahrnehmung bei jedem Vertragsarzt anders angesetzt werden. Gleichwohl dürfte es naheliegen, dass die Belastungsgrenze bei den meisten Praxen erst dann erreicht sein wird, wenn das durchschnittliche Patientenaufkommen der Fachgruppe überschritten ist.

Merke: Die Belastungsgrenze des Arztes sollte hinreichend belegt werden können. Überschreiten die Behandlungsfallzahlen der Praxis das durchschnittliche Fallzahlniveau der maßgeblichen Arztgruppe in relevantem Umfang, belegt dies den Ausnahmezustand der Praxis. Kommt es umgekehrt etwa zur Beschwerde eines Patienten gegenüber der KV, dass eine Praxis ihn aus Kapazitätsgründen abgelehnt habe, so prüft diese anhand der Fallzahlen, ob die Belastungsgrenze der Praxis tatsächlich erreicht sein kann. Als weiterer Aspekt könnte die Belastungsgrenze auch durch stetig hohe Plausibilitätsprüfzeiten untermauert werden. Soweit eine Ablehnung von Patienten aus Kapazitätsgründen erfolgt, gilt dies sowohl für Kassen- als auch Privatpatienten. Anderenfalls droht ein Disziplinarverfahren.

Verstöße gegen die Behandlungspflicht

Ein Vertragsarzt darf die Behandlung eines Patienten wiederum nicht ablehnen, weil er mit der Behandlung von Privatpatienten und/oder der Erbringung von IGe-Leistungen hinreichend ausgelastet ist. Kein begründeter Fall liegt vor, wenn die Ablehnung der Behandlung des Patienten allein aufgrund des Status als GKV-Patient erfolgt. Auf ein solches Motiv des Vertragsarztes kann geschlossen werden, wenn die Behandlungsablehnung wegen der Vergütung erfolgt oder wenn der Vertragsarzt eine von dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung erfasste Behandlung nur unter der Voraussetzung erbringen will, dass eine Privatzahler-Vereinbarung geschlossen werde. 

So entschied das SG München, dass die Ablehnung der Behandlung einer Kassenpatientin unter Verweis auf mangelnde Kapazitäten unzulässig sei, wenn der Vertragsarzt die Behandlung am selben Tag aufgrund einer Privatliquidation doch durchführe. Die tatsächliche Durchführung der Behandlung der Patientin als Privatzahlerin bei gleichzeitiger Verweigerung der Behandlung als Kassenpatientin widerlege die Behauptung des Vertragsarztes, er verfüge über keine Kapazitäten mehr zur Behandlung der Patientin und sei deswegen berechtigt, die Behandlung zu verweigern. Denn bei einer tatsächlichen Überlastung hätte der Vertragsarzt auch keine privatärztliche Leistung erbringen können. Das Gericht stellte fest, dass ein solches Vorgehen u. a. gegen das Sachleistungsprinzip verstoße. Der klagende Augenarzt kam um die Rückerstattung der via Privatliquidation extra verlangten 40 Euro sowie um die Zahlung einer Disziplinarstrafe in Höhe von 2.500 Euro nicht herum.

Rechtliche Konsequenzen bei ungerechtfertigter Ablehnung 

Ein abgelehnter Patient kann Beschwerde gegen den Vertragsarzt erheben. Da die Behandlungspflicht eine spezifische vertragsärztliche Pflicht ist, kann eine Verletzung im Rahmen eines vertragsärztlichen Disziplinarverfahrens verfolgt und mit Disziplinarmaßnahmen (z. B. Bußgeld) sanktioniert werden.

Praxistipp: Die Ablehnung einer Behandlung sollte gegenüber dem Patienten immer ausreichend begründet werden können. Rein vorsorglich sollte die Ablehnung auch hinreichend dokumentiert sein. Da Patienten bei einer (vermeintlich) ungerechtfertigten Ablehnung ihrer Behandlung gegen den Vertragsarzt Beschwerde einlegen können, empfiehlt es sich zudem, als Vertragsarzt der Krankenkasse 

die Ablehnung mitzuteilen sowie 

die Gründe für die erfolgte Ablehnung darzulegen. 

Dieses Recht steht Vertragsärzten gem. § 13 Abs. 7 S. 4 BMV-Ä zu.

RAin, FAin für MedizinR Dina Gebhardt, Münster, Kanzlei am Ärztehaus