Symposiumbericht DOG 2021: To Drop Or Not To Drop – Update Glaukommanagement
Im Rahmen des Symposiums während der DOG wurde über Veränderungen und neue Ansätze in der Glaukomtherapie gesprochen.

PD Dr. med. Marc Schargus (Hamburg) leitete das Symposium mit einer Übersicht über die Einflüsse der Corona-Pandemie auf die Glaukomversorgung ein. In Deutschland kam es im Zusammenhang mit der Pandemie zu einer Reduktion der augenärztlichen Kontrollen. Im Hinblick auf die Anzahl von Interventionen in der Glaukomchirurgie wurde ebenfalls ein Rückgang z.B. in Italien verzeichnet [dell'Omo et al. 2020]. Grundsätzlich wurden dort mehr minimalinvasive Verfahren genutzt, um während der Pandemie die postoperativen Kontrollen zu minimieren [Quaranta et al. 2020].
In China wurden erstmalig Diagnosezentren ohne Augenärzte eröffnet, in denen telemedizinische Konsultationen durchgeführt wurden. Verschriebene Medikamente wurden anschließend per Kurier ausgeliefert. Untersuchungen und Behandlungen in der Klinik wurden nur im Notfall durchgeführt, um Kontakte zu reduzieren [Husain et al. 2020]. Eine andere Untersuchung konnte zeigen, dass es zu einem Anstieg des Augeninnendruckes durch das Tragen einer mehrlagigen Atemschutzmaske (z.B. FFP2) kommen kann. Dies ist bei Patientenkontrollen in Pandemiezeiten zu berücksichtigen [Janicijevic et al. 2021].
Im Anschluss gab Dr. Schargus einen allgemeinen Überblick über die Glaukomtherapie. Das Glaukom ist die zweithäufigste Erblindungsursache in Deutschland und das Erkrankungsrisiko steigt ab dem 40. Lebensjahr 2–2,5 fach pro Altersdekade an [AWMF 2020]. Um ein Glaukom frühzeitig zu entdecken, werden somit ab dem 40. Lebensjahr regelmäßige Screenings empfohlen [AWMF 2020]. Da das Glaukom eine chronische und progressive Erkrankung ist und zu Beginn asymptomatisch verläuft, kommt es trotz regelmäßiger Screenings meist erst spät zu einer Diagnose [Weinreb et al. 2004]. Dr. Schargus wies auf die Möglichkeit hin, dass in Zukunft Deep Learning Ansätze verwendet werden könnten, um die Früherkennung des Glaukoms zu unterstützen [Thakur et al. 2020].
Wichtig bei der Glaukomtherapie ist, die Progression zu verlangsamen und die Erblindung hinauszuzögern. Die Patientenadhärenz bei medikamentösen Therapieansätzen ist häufig schlecht und sinkt mit einer steigenden Tropfenanzahl. Weiter erschwert wird die Therapie durch feinmotorische Schwierigkeiten, kognitive Einschränkungen und Nebenwirkungen [Gray et al. 2009]. Nicht konservierte Präparate sollten stets konservierten vorgezogen werden. Außerdem ist es ratsam, fixe Kombinationen zu verwenden und gegebenenfalls Tränenersatzmittel zu verabreichen [Erb et al. 2008, Skalicky et al. 2012]. Dr. Schargus beendete seinen Vortrag mit der Aussage, dass, wenn starke allergische Reaktionen im Zusammenhang mit der medikamentösen Therapie auftreten, eine operative Therapie oft der nächste Behandlungsschritt ist.
Im Anschluss sprach PD Dr. Bogomil Voykov (Tübingen) über die Evolution der MIGS Verfahren. Diese Verfahren sind minimal traumatisch, sie liefern oft eine effiziente Drucksenkung, ein gutes Sicherheitsprofil und erlauben in der Regel eine schnelle postoperative Rehabilitation [Saheb und Ahmed 2012]. Als ein bedeutendes Verfahren stellte er das XENTM45 heraus. Das XENTM45 Gelimplantat ist ein Filterkissen-bildendes Implantat. Es besteht aus querverenetzter Gelatine, ist 6 mm lang und hat einen Lumendurchmesser von 45 µm [Lewis 2014, Sheybani et al. 2015]. Es zeigt im Allgemeinen ebenfalls eine gute drucksenkende Wirkung in Kombination mit der Phako-Operation und wird für das primäre Offenwinkel-Glaukom eingesetzt* [Reitsamer et al. 2019]. XENTM45 ist bereits etabliert und wird in vielen Ländern eingesetzt.
*Das XENTM Gelimplantat ist dazu vorgesehen, den Augeninnendruck bei Patienten mit primärem Offenwinkelglaukom zu reduzieren, nachdem frühere medizinische Behandlungen fehlgeschlagen sind.
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Literatur
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abgerufen am: 06.10.2021
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