Augeninfarkt: Keine Zeit verlieren!

Time is Retina: Der Augeninfarkt ist ein medizinischer Notfall. Die interdisziplinäre Studie REVISION untersucht jetzt die frühzeitige Wiederherstellung des Blutflusses bei akutem Infarkt.

©Adobe Stock
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Am 29. Oktober 2021 ist Weltschlaganfalltag. Nicht nur das Gehirn kann einen Infarkt erleiden – auch das Auge kann von einem akuten Verschluss der Blutzufuhr betroffen sein. Der nicht-arteriitische, thromboembolische Zentralarterienverschluss ist ein akuter neurovaskulär-ophthalmologischer Notfall, der in ca. 95% der Fälle zu einem schweren und dauerhaften Sehverlust im betroffenen Auge führt. Es handelt sich in der Regel um eine plötzliche, schmerzlose, andauernde Sehverschlechterung. Neben dem Verlust oder der Minderung der zentralen Sehschärfe beklagen die Patienten auch Gesichtsfeldausfälle. Trotz einer Vielzahl von verbreiteten Standardbehandlungen gibt es keine Therapie für den nicht-arteriitischen Zentralarterienverschluss. Innerhalb von nur vier Stunden nach der Unterbrechung des Blutflusses treten irreversible Schäden am Auge auf. Daher scheint eine schnelle Reperfusion ein naheliegender Therapieansatz. 

Je schneller das Blut wieder ungehindert fließt, umso besser die Prognose. Ein Forschungsteam um PD Dr. Sven Poli vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und dem Universitätsklinikum Tübingen und Prof. Dr. Martin Spitzer von der Universitäts-Augenklinik Hamburg-Eppendorf untersucht nun, inwieweit ein Medikament das Gerinnsel auflösen und dadurch die Zerstörung der Retina aufhalten kann. Rund 400 Patientinnen und Patienten sollen deutschlandweit im Rahmen der Studie behandelt werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Vorhaben mit 4 Millionen Euro.

Wirkt Alteplase auch bei Zentralarterienverschluss?

Trotz einer Vielzahl von verbreiteten Standardbehandlungen gibt es bislang keine nachweislich wirksame Therapie, die die Krankheitsursache behandelt – anders als beim ischämischen Schlaganfall, bei dem das Medikament Alteplase mittlerweile routinemäßig und erfolgreich zur Auflösung des Blutgerinnsels eingesetzt wird. „Es ist daher ein naheliegender Therapieansatz, das gleiche Arzneimittel beim Augeninfarkt einzusetzen“, so Studienleiter und Neurologe Poli. Die Wirksamkeit und Sicherheit der intravenösen Wiederherstellung des Blutflusses bei Zentralarterienverschluss soll nun in der vom Neurologischen Universitätsklinikum Tübingen und der Universitäts-Augenklinik Hamburg-Eppendorf interdisziplinär initiierten Studie REVISION gezeigt werden. 

Die vom BMBF mit rund 4 Mio. Euro finanzierte Studie untersucht ob eine frühzeitige, d.h. innerhalb von 4,5 Stunden nach Beeinträchtigung des Auges, intravenöse Thrombolyse die Zerstörung der Netzhaut aufhalten kann. Das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim stellt das Medikament und das Placebo zur Verfügung. Bei REVISION handelt es sich um eine doppelblind und placebo-kontrollierte klinische Studie, in der an bis zu 30 deutschen Zentren 400 Patientinnen und Patienten behandelt werden sollen. 

Time is Retina!

Ein Augeninfarkt ist ein seltenes Krankheitsbild. Die Inzidenz der Zentralarterienverschlüsse wird auf 0,85 pro 100.000 Einwohner geschätzt. Umso wichtiger ist, dass ihn auch Laien und niedergelassene Medizinerinnen und Mediziner als Notfall erkennen. „Tritt eine Sehverschlechterung innerhalb von Sekunden auf und existiert ein Schatten auf dem kompletten Auge, sollte die betroffene Person unmittelbar in die nächste Augenklinik oder zentrale Notaufnahme gehen – notfalls mit dem Rettungsdienst, selbst dann, wenn der Schatten nur von kurzer Dauer ist“, appelliert Poli. Dort kann nach der Diagnose unmittelbar mit einer Behandlung begonnen werden. „Je früher ein Augeninfarkt erkannt und behandelt wird, umso besser die Chancen, dass das Augenlicht erhalten wird. Auch darauf wollen wir im Rahmen unserer Studie aufmerksam machen.“