Diabetische Retinopathie: experimentelle Antikörpertherapie entwickelt

Die diabetische Retinopathie zählt zu den häufigsten chronischen Komplikationen des Diabetes mellitus. Dabei handelt es sich um eine Mikrovaskulopathie der Netzhautkapillaren. Eine Forschungsgruppe an der University of Toronto hat jetzt eine Antikörpertherapie entwickelt, die die Barrierefunktion der Endothelzellen stärkt.

© Clare Gilbert / International Centre for Eye Health, London School of Hygiene & Tropical Medicine
© Clare Gilbert / International Centre for Eye Health, London School of Hygiene & Tropical Medicine

Ophthalmologische Komplikationen eines Diabetes mellitus sind oft schwer zu behandeln.1 Bereits in den frühen Stadien der diabetischen Retinopathie können mikrovaskuläre Veränderungen, neurodegenerative sowie inflammatorische Prozesse zu einer Schädigung der Retina führen.2 Der häufigste Grund für eine Visusminderung bei diabetischer Retinopathie ist dabei das diabetische Makulaödem. Zugrundeliegende Mechanismen beinhalten eine dysfunktionale Blut-Retina-Schranke.

Der Wnt-Signalweg ist essentiell für den Erhalt der Blut-Retina-Schranke. Viele verschiede Proteine sind an dem Wnt-Signalweg beteiligt. Das Signalprotein Norrin spielt eine wichtige Rolle für die Angiogenese. Das 133 Aminosäuren lange Protein kann durch Bindung an den Fzd4-Rezeptor und die beiden Corezeptoren LRP5 und TSPAN12 den Wnt/β-Catenin-Signalweg aktivieren. Der Aufbau und die Homöostase der Blut-Retina-Schranke erfolgen beide β-Catenin-abhängig. 

Mutationen des NDP-Gens, welches für das Signalprotein Norrin codiert können zu seltenen ophthalmologischen Erkrankungen wie dem Norrie-Syndrom und der Familiären exudativen Vitreoretinopathie (FEVR) führen. Doch auch häufigeren ophthalmologischen Erkrankungen -wie der diabetischen Retinopathie oder der altersbedingten Makuladegeneration- liegt eine dysfunktionale Blut-Retina-Schranke zugrunde. 

 Eine Forschungsgruppe  an der University of Toronto um Rony Chidiac hat eine spezielle Antikörpertherapie entwickelt und in Zellkulturen sowie im Mausmodell untersucht. 

Die experimentelle Antikörpertherapie war sowohl in vitro als auch in vivo erfolgreich. In vitro förderte der tetravalente Antikörper die Barrierefunktion der Endothelzellen. Im Tspan12-/- Mausmodell – dieses Modell weist mehrere Merkmale der Familiären exudativen Vitreoretinopathie (FEVR) auf – konnte durch intraokuläre Antikörper-Injektionen die Morphogenese der retinalen Blutgefäße und so auch die Blut-Retina-Schranke aufrechterhalten werden. 

©Rony Chidiac

Weitere Studien sind notwendig, um zu prüfen, ob diese experimentelle Therapie eines Tages Einzug in den klinischen Alltag nehmen kann.3 Ophthalmologische Erkrankungen, denen eine dysfunktionale Blut-Retina-Schranke zugrunde liegt, könnten dann bereits in Frühstadien behandelt werden, um eine retinale Schädigung und einer damit verbundenen Visusminderung zu verhindern. Dies könnte vor allem für die diabetische Retinopathie von großer Bedeutung sein.

Dr. Annabelle Eckert

Referenzen: 
1.) Ogurtsova K. et al. (2017). IDF Diabetes Atlas: Global estimates for the prevalence of diabetes for 2015 and 2040. Diabetes Res Clin Pract. 2017 Jun; 128:40-50.
2.) Romero-Aroca P. et al. (2016). Diabetic macular edema pathophysiology: Vasogenic versus inflammatory. J. Diabetes Res. 2016; 2016:2156273.
3) Rony Chidiac et al. (2021). A Norrin/Wnt surrogate antibody stimulates endothelial cell barrier function and rescues retinopathy, EMBO Molecular Medicine.