Künstliche Intelligenz für das Management von Netzhauterkrankungen – MedUni Wien eröffnet neues Labor

Das gerade eröffnete Christian Doppler-Labor der Medizinischen Universität Wien erforscht KI-basierte Systeme zur effizienteren Diagnostik, Monitoring und Therapie von Netzhauterkrankungen. Geleitet wird es von Hrvoje Bogunović von der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie. Unternehmenspartner des Labors ist Heidelberg Engineering.

©Paulína Šujanová
©Paulína Šujanová

„Unser übergeordnetes Ziel ist es, Behandlungsprozesse für Ärzte effizienter zu machen, indem sie im Bereich medizinischer Bildanalyse unterstützt werden. Konkret geht es darum, die Information aus Netzhaut-Scans optimal für Diagnosestellung und Patientenmanagement zu nutzen.“, erklärt Bogunović. Umgesetzt werden soll dies mittels Entwicklung von KI-basierten klinischen Entscheidungsunterstützungssystemen. „Die Ophthalmologie als bildintensiver Zweig der Medizin mit standardisierten Bildgebungsprotokollen ist hervorragend positioniert, um als Testfeld für die Einführung solcher KI-basierter Unterstützungssysteme zu dienen“, sagt der Laborleiter.

„Aufbauend auf langjähriger wissenschaftlicher Exzellenz und Innovation im Bereich der Ophthalmologie wird das neue Christian Doppler-Labor (CD Labor) dank der Unterstützung durch die Christian Doppler Gesellschaft den MedUni Wien Schwerpunkt Präzisionsmedizin verstärken. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Bioinformatik, Klinik und dem Unternehmenspartner wird die Translation von Forschungsergebnissen bis zur PatientInnenversorgung gewährleistet“, betont Michaela Fritz, Vizerektorin für Forschung und Innovation an der MedUni Wien.

KI als große Herausforderung

Die Umsetzung von KI in die klinische Praxis ist eine Chance, aber  zugleich eine große Herausforderung für die Wissenschaft. „Die aktuellen KI-Systeme sind auf enorme Datenmengen angewiesen, gleichzeitig jedoch sehr fragil, da sie nicht einfach über verschiedene Bildgebungssysteme hinweg verallgemeinern können und daher oft undurchsichtige Black-Box-Systeme erzeugen“, gibt Bogunović zu bedenken. Im neuen Labor in Kooperation mit der Christian Doppler-Gesellschaft werde daher an der Beseitigung dieser Hürden gearbeitet, um sicherzustellen, dass die Technologie der künstlichen Intelligenz die klinischen Arbeitsabläufe unterstützt und nicht behindert.

Bogunović und das Gros seiner Arbeitsgruppe sind InformatikerInnen, aber an der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien eingebunden und beschäftigt. Dadurch gibt es eine enge, interdisziplinare und erfolgreiche Kooperation mit den dortigen Netzhautspezialisten. Der Unternehmenspartner des Labors ist Heidelberg Engineering ein auf Medizingeräte spezialisiertes Unternehmen, das bildgebende und Healthcare-IT-Produkte für die Diagnostik in der Augenheilkunde entwickelt.

Interpretation ungeheurer Mengen an Bilddaten

Die optische Kohärenztomographie (OCT) hat mit ca. 30 Millionen jährlich weltweit durchgeführter Untersuchungen einen bedeutsamen klinischen und sozioökonomischen Wert. Der bespiellosen Genauigkeit, in der Netzhautveränderungen mit OCT phänotypisiert werden können, steht die Herausforderung der Bewältigung und Interpretation ungeheurer Mengen an Bilddaten für Experten gegenüber. Im klinischen Alltag erfolgt die Befundung von OCT-Untersuchungen in der Regel qualitativ und unterliegt der jeweilig subjektiven Einschätzung der Experten. Zur ganzheitlichen Erfassung einer individuellen Fragestellung ist die Zusammenführung der Bilddaten mit der restlichen Krankenhausakte zielführend, was jedoch im Alltag aufgrund unterschiedlicher Dokumentationssysteme kaum allumfassend möglich ist. 

288 Millionen von AMD-betroffenen Patienten im Jahr 2040

Klinische Arbeitsabläufe dahingehend künftig effizienter zu gestalten, ist von großer Relevanz, da beispielsweise durch die zunehmend ältere Bevölkerung und steigende Prävalenz von Diabetes massive Herausforderungen in Bezug auf die Betreuung von Patienten mit altersbedingter Makuladegeneration (AMD) und diabetischer Retinopathie zu erwarten sind. Prognosen, die 288 Millionen von AMD-betroffenen Patienten im Jahr 2040 vorhersagen, verdeutlichen die Dringlichkeit der Problematik.

Seit dem Aufkommen von Deep Learning reichen KI-basierte Systeme im Bereich von medizinischer Diagnostik und Prognostik an die Fähigkeiten menschlicher Untersucher heran und übertreffen diese sogar in bestimmten Fragestellungen. Sie ermöglichen die Extraktion quantifizierbarer Biomarker aus medizinischen Bilddaten und haben somit das Potential, sowohl die Diagnosestellung als auch das Monitoring retinaler Erkrankungen auf ein bisher nicht erreichtes Niveau an Präzision zu heben. Darüber hinaus ist die Möglichkeit der Entdeckung neuer Subtypen an Erkrankungen durch großflächige, datenbasierende Ansätze zu nennen. Es gilt also das Potential der Bilddatenanalyse mittels KI in die Praxis umzusetzen.

Ziel dieses CD-Labors ist die Entwicklung eines auf künstlicher Intelligenz basierenden klinischen Support-Tools zur Ausstattung eines Standard-OCT-Geräts, welches Kliniker in der Früherkennung, der Einstufung subtiler pathologischer Veränderungen und im Management des individuellen Krankheitsverlaufs unterstützt. Die zu diesem Zweck erforderliche Quantität und Vielfalt an Daten, rückt den Schwerpunkt auf methodische Ansätze auf Basis von in großem Rahmen vorhandenen „real-world“ Daten. Dieses CD-Labor wird interdisziplinäre Experten auf dem Gebiet der medizinischen Bilddatenanalyse und Retinologie und Pioniere in der Anwendung künstlicher Intelligenz in der OCT-Analyse zusammenbringen.

Quellen: Medizinische Universität Wien / Christian Doppler Forschungsgesellschaft (CDG)