Refresher: Grundlagen für die Verwendung analoger Bewertungen in der GOÄ

Anders als im Kassenärztlichen Bereich, bei dem neue Leistungen kontinuierlich in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) als Vertragsgebührenverzeichnis eingepflegt werden, können Leistungen in der GOÄ nur durch Änderungsverordnungen, die das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen müssen, angepasst bzw. neu implementiert werden. Mittlerweile ergibt sich deshalb ein erheblicher und weiter steigender Bedarf an neuen Leistungen, die im Rahmen der Honorarabrechnung abgebildet werden müssen.

©Burst Unsplash
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Gesetzliche Optionen zur Abrechnung fehlender Leistungen

Mit § 6 GOÄ ist die Möglichkeit eröffnet, fehlende Leistungen „analog“ zu bewerten. Leider geraten einige Kriterien zur Bildung einer Analogbewertung zunehmend in Vergessenheit oder sind in ihrer Tragweite für eine korrekte Rechnungsstellung nicht bekannt.

§ 6 GOÄ ‒ Gebühren für andere Leistungen

(1) Erbringen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Hals-Nasen-Ohrenärzte oder Chirurgen Leistungen, die im Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen ‒ Anlage zur Gebührenordnung für Zahnärzte vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I S. 2316) ‒ aufgeführt sind, sind die Vergütungen für diese Leistungen nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Zahnärzte in der jeweils geltenden Fassung zu berechnen.

(2) Selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, können entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden.

§ 6 Abs. 1 bietet ausschließlich den genannten Facharztgruppen die Möglichkeit, auf die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zuzugreifen, falls sich dort benötigte Leistungen finden lassen. Daneben sind Ärzte auf den § 6 Abs. 2, also den Analogabgriff innerhalb der GOÄ als „Normalfall“ angewiesen.

Hier kommt es oft zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen, die letztendlich häufig zu Auseinandersetzungen mit Kostenträgern führen. Diese sind sicherlich nicht generell auszuschließen, da es insbesondere im Hinblick auf die Bewertung verwendeter Analogleistungen unterschiedliche Standpunkte vonseiten der Ärzte und Kostenträger gibt.

Sachlich nachvollziehbare Kriterien einer analogen Bewertung

Die amtliche Begründung zur 4. Änderungsverordnung der GOÄ verweist hinsichtlich der Vergleichbarkeit von analogen Leistungen mit in der GOÄ enthaltenen Leistungen auf „sachlich nachvollziehbare Kriterien“. Diese ergeben sich bereits aus dem Inhalt von § 6. Neben der geforderten Selbstständigkeit der ärztlichen Leistung sind dies „Art, Kosten und Zeitaufwand“.

Selbstständigkeit der Leistung

Selbstständige ärztliche Leistungen, die nicht im Gebührenverzeichnis zu finden sind, können einer „entsprechenden Bewertung“ zugeführt werden. Dies bedeutet u. a., dass eine derartige Leistung eigenständig, also nicht Teilleistung einer bereits berechneten Leistung sein kann, wie dies z. B. bei methodisch notwendigen Einzelschritten im Rahmen eines operativen Eingriffs vorkommt. Auch im Rahmen einer Modifikation notwendige neue Einzelschritte (z. B. endoskopische Technik statt Eröffnung der Bauchhöhle durch Schnitt) können nicht gesondert berechnet werden.

Leistungsvariationen einer bereits in der GOÄ abgebildeten Leistung sind grundsätzlich keiner Analogbewertung zugänglich. Viel Verdruss bereiten hier oft Streitigkeiten mit Kostenträgern, wenn Leistungen des Abschnittes G (Neurologie und Psychiatrie) der Gebührenordnung für „ausführliche Gespräche“, „eingehende Therapieerörterungen“ u. ä. analog berechnet werden, obwohl es sich ohne entsprechende Indikation lediglich um oft zeitaufwendige Beratungen handelt, deren Aufwand nur über den Gebührenrahmen (Steigerungssatz) geregelt werden kann.

Falls eine vom Arzt erbrachte Leistung nicht im Gebührenverzeichnis aufzufinden ist, spielen die Gründe, weshalb sie in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen wurde, für die „analoge Bewertung“ keine Rolle. Es ist unerheblich, ob eine Leistung zum Zeitpunkt der Abfassung des Gebührenverzeichnisses nicht in dieses aufgenommen wurde, sei dies wegen mangelnder wissenschaftlicher Anerkennung oder wegen mangelnden Bekanntheitsgrades.

Merke: Prüfen Sie vor dem Rückgriff auf eine Analogbewertung stets genau, ob sich die erbrachte Leistung nicht doch im Gebührenverzeichnis auffinden lässt oder ob diese Leistung als Teilleistung einer bereits berechneten Leistung angesehen werden muss und damit nicht berechnungsfähig ist.

Art der Leistung

Die Kriterien für die Findung einer adäquaten analogen Leistung innerhalb des Gebührenverzeichnisses sind nicht immer einfach. Bereits bei der „Art“ der Leistung ist zu berücksichtigen, dass man z. B. für einen neuartigen operativen Eingriff eine auch in der GOÄ als operative Leistung erkennbare Leistungsbeschreibung auswählt, wobei hier nicht unbedingt der entsprechende fachärztliche Abschnitt der GOÄ zu berücksichtigen ist. Analogabgriffe für den Bereich Chirurgie aus z. B. der Urologie sind nicht ungewöhnlich.

In seltenen Fällen ist auch der Analogabgriff auf mehrere GOÄ-Ziffern möglich, um eine neue Leistung abzubilden. Als Beispiel sei hier die Ziffer A1387.1 (Netzhaut ‒ Glaskörper ‒ chirurgischer Eingriff) aus der Liste der Analogbewertungen der Bundesärztekammer genannt, die aus den herangezogenen Ziffern analog Nr. 2551 plus analog Nr. 2531 gebildet wird.

Zu beachten ist auch, dass die „Rahmenbedingungen“ einer herangezogenen GOÄ-Leistung und damit deren abrechnungstechnischen Eigenschaften bei Analogabrechnung erhalten bleiben. Weist die abgegriffene Leistung

Mindestzeiten, 
Leistungsausschlüsse oder 
Mengenbegrenzungen 

in einem bestimmten Zeitraum auf, so gelten diese Vorgaben auch für die analoge Bewertung. Ebenso gilt dies für den zulässigen Gebührenrahmen (z. B. bei „technischen“ Leistungen nur max. 1,8-fach ohne zusätzliche Begründung).

Kosten der Leistung

Die Kostenkalkulation einer neuen Leistung sollte sich also z. B. an der analog herangezogenen Leistung orientieren. D. h., der Gesamtaufwand sollte sich an dieser GOÄ-Leistung orientieren. Zu berücksichtigen ist hierbei u. a. auch der vergleichbare Personalaufwand bei der Leistungserbringung, nicht jedoch entstandene Kosten i. S. v. § 4 Abs. 3 GOÄ. Die Anschaffungskosten von Geräten müssen allerdings in die Kalkulation zur „Gleichwertigkeit“ der Leistung mit einfließen.

Zeitaufwand bei der Leistungserbringung

Der Zeitaufwand spielt bei der Bemessung einer Leistung eine wesentliche Rolle, da dieser die Hauptgrundlage einer Bewertung darstellt. So sollte auch bei der Wahl einer zur analogen Bewertung herangezogenen Ziffer stets darauf geachtet werden, dass der ggf. darzulegende Zeitaufwand für die Leistungserbringung annähernd identisch mit dem der analog herangezogenen GOÄ-Ziffer ist. Beispielhaft seien hier genannt:

die Schnitt-Naht-Zeit eines Eingriffs oder 
die annähernd gleiche Zeitdauer einer diagnostischen Untersuchung.

Darstellung einer Analogbewertung in der Rechnung

Nach § 12 Satz 4 ist die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen

verständlich zu beschreiben und 
mit dem Hinweis „entsprechend“ sowie 
der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen, wobei statt dem Textzusatz „entsprechend“ auch der Hinweis „analog“ akzeptiert wird. 

Merke: Eine Kennzeichnung mit dem Zusatz „A“ vor der analog herangezogenen Leistungsziffer ist nur bei Leistungen möglich, die Bestandteil des Analogverzeichnisses der Bundesärztekammer sind (online unter Shortlink ogy.de/9k7a).

Eine Ausnahme bei der Kennzeichnung ist für Laborleistungen zulässig und zugleich verpflichtend. In der Rechnung ist der herangezogenen Gebührennummer ein „A“ voranzustellen. Als Bezeichnung der Leistung ist hier nur die tatsächlich durchgeführte analoge Leistung und nicht die ursprüngliche Leistungslegende der analog herangezogenen Ziffer anzugeben (s. allgemeine Bestimmungen Nr. 8 zu Abschnitt M GOÄ).

Das Analogverzeichnis der BÄK

Die BÄK greift in ihren Analog-Empfehlungen Leistungen auf, die häufig angefragt werden, und prüft, ob diese neuen Leistungen gleichwertig mit bestehenden Gebührenpositionen sind. Gleichwertig heißt dabei, dass eine neue Leistung hinsichtlich Art, Kosten, Zeitaufwand und Schwierigkeitsgrad möglichst nahe an eine bereits bestehende Gebührenposition herankommt. Da diese Analogziffern, die die BÄK auflistet, u. a. mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Verband der privaten Krankenversicherung abgestimmt werden, sind diese Empfehlungen quasi rechtssicher.

Die BÄK schreibt hierzu: „Nach dem Analogverzeichnis der Bundesärztekammer abgerechnete Positionen werden praktisch von allen Kostenträgern akzeptiert. Ein Arzt, der zu einer im Analogverzeichnis der Bundesärztekammer enthaltenen Position eine andere Analogabrechnung vornimmt, hat in der Diskussion oder gar vor Gericht wegen des dahinterstehenden Sachverstandes nur schwerlich Aussicht auf Erfolg.“

Grundsätzlich bleibt es jedem Arzt freigestellt, nach den in § 6 GOÄ aufgeführten Kriterien eigene Analogbewertungen zu bilden. Sofern jedoch im Analogverzeichnis der Bundesärztekammer bereits eine entsprechende Analogziffer vorhanden ist, erscheint es ratsam, diese zu verwenden, was insbesondere bei der Durchsetzung und Argumentation gegenüber Kostenträgern hilfreich ist.

Typische „Fehler“ beim Analogabgriff

Einige Muster fehlerhafter Analogabrechnungen haben sich im Laufe der Jahre als typisch und wiederkehrend herausgebildet. Bitte beachten Sie daher insbesondere die folgenden typischen Fehler bei analoger Abrechnung, um Auseinandersetzungen mit Kostenträgern möglichst zu vermeiden.

Keinesfalls möglich als analoge Bewertung sind folgende Fälle

Ein Analogabgriff aus einem anderen Gebührenverzeichnis (z. B. EBM). Durch dessen Struktur finden sich hier auch Leistungsvariationen mit eigener Bewertung, die in der GOÄ über die vorhandenen Leistungsziffern abgebildet werden müssen.
Ein Analogabgriff unter Änderung der Punktzahlen und damit des Gebührensatzes.
Ein Analogabgriff für Modifikationen/Leistungsvarianten im Gebührenverzeichnis bereits enthaltener Leistungen, die ggf. durch den Gebührenrahmen (Steigerungssatz) auszugleichen sind.
Ein Analogabgriff für Leistungsbestandteile oder Leistungen, die mit der Berechnung anderer Leistungen bereits abgegolten bzw. in diesen enthalten sind (z. B. Blutdruckmessung, Befundauswertung oder Auswertung von Röntgenaufnahmen, Anamneseerhebung).
Honorarvereinbarungen nach § 2 GOÄ ohne korrekte Bezeichnung einer analogen Bewertung.

Ernst Diel, ehem. Leiter Grundsatzfragen PVS Büdingen