Paul-Ehrlich-Institut entwickelt Therapieansatz bei trockener altersbedingter Makuladegeneration

Ein Forscherteam des Paul-Ehrlich-Instituts hat aufgeklärt, was die Zellen in der Retina bei trockener AMD absterben lässt. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse geraten jetzt Medikamente, die eigentlich zur Behandlung von HIV eingesetzt werden, als mögliche Therapieoptionen in den Blick.

©J. Ambati  University of Virginia School of Medicine
©J. Ambati University of Virginia School of Medicine

Bilder: Links: Gesundes retinales Pigmentepithel (RPE); rechts: RPE, in dem Alu-RNA exprimiert wurde. Hier ist die Zerstörung der aneinandergrenzenden zellulären Membranstrukturen sichtbar (©J. Ambati  University of Virginia School of Medicine)

Die Forscherinnen und Forscher um Prof. Gerald Schumann von der Abteilung „Medizinische Biotechnologie“ des Paul-Ehrlich-Instituts haben in einem internationalen Forschungsverbund den Mechanismus aufgeklärt, der ursächlich für die sogenannte geographische Atrophie bei trockener AMD verantwortlich ist. Hierbei sterben die für die Sehfähigkeit essenziellen Zellen des retinalen Pigmentepithels (RPE) ab, was zur Erblindung führen kann.

Wie das Forscherteam zeigen konnte, reichert sich bei der trockenen Makuladegeneration im Zytoplasma der RPE-Zellen die DNA sogenannter transponierbarer Alu-Elemente an. Transponierbare Elemente sind bewegliche DNA-Abschnitte, die sich im Genom individueller Zellen ausbreiten können. Die Anreicherung der Alu-DNA erfolgt durch das Umschreiben von Alu-RNA in Alu-DNA im Zytoplasma dieser Zellen. Die angereicherte Alu-DNA schädigt die Zellen, die schließlich absterben. Es ist plausibel, dass es dadurch zur geographischen Atrophie kommt, der Spätform der altersbedingten Makuladegeneration. 

Als mögliche Therapieoptionen gerieten bereits bekannte Medikamente in den Blick, die normalerweise zur HIV-Behandlung eingesetzt werden. Diese Arzneimittel hemmen die reverse Transkriptase und damit das Enzym, das RNA in DNA umschreibt. Tatsächlich hemmen diese als Nukleosidische-Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI) bezeichneten Arzneimittel auch die Aktivität der Reversen Transkriptase, die für die oben beschriebenen Prozesse verantwortlich ist. 

Dass diese Arzneimittel ein vielversprechender Therapieansatz sein könnten, zeigt die Auswertung von vier Datenbanken unterschiedlicher US-amerikanischer Krankenversicherungen, in die mehr als 100 Millionen Patientinnen und Patienten über einen Zeitraum von 20 Jahren eingeschlossen waren. Innerhalb der Gruppe der mit NRTIs behandelten Personen erkrankten 40 % weniger an trockener AMD als Personen ohne NRTI-Behandlung.

Vorbereitungen für erste klinische Prüfungen zur Anwendung von NRTIs bzw. ihrer verträglicheren, als Kamuvudine bekannten Derivate wurden bereits initiiert.

Quelle:

Paul-Ehrlich-Institut
Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)