PRO RETINA fordert Entgrenzung der Abrechnungsziffer für die molekulargenetische Diagnostik

Erbliche Netzhautdegenerationen, sog. Netzhautdystrophien, führen bei betroffenen Menschen zu einem fortschreitenden Verlust des Sehvermögens, oftmals bis zur vollständigen Erblindung. Sie können heute umfassend diagnostiziert werden. Dies ist Voraussetzung für eine zielgerichtete Beratung und Therapie der Patientinnen und Patienten.

PRO RETINA fordert Entgrenzung der Abrechnungsziffer für die molekulargenetische Diagnostik

Erblich bedingte Netzhautdystrophien gehören zu den Seltenen Erkrankungen des Menschen. In Deutschland ist davon etwa ein von 3.000 Menschen betroffen. Häufig kennen die Betroffenen nicht die genaue Ursache ihrer Erkrankung. Eine der Schwierigkeiten liegt darin, dass die erblich bedingten Netzhautdystrophien klinisch unterschiedliche Krankheitsbilder umfassen, die wiederum durch genetische Veränderungen in mindestens 130 heute bekannten Erbfaktoren (Genen) verursacht werden können. Für viele Patienten ist eine molekulargenetische Diagnostik notwendig, um für ihre weitere Lebensplanung adäquat beraten werden zu können und um bestehende oder zukünftige Therapieangebote wie z. B. Gentherapien gezielt wahrnehmen zu können. PRO RETINA sieht hier angesichts des rasch fortschreitenden wissenschaftlichen Kenntnisstandes einen dringenden Handlungsbedarf beim Umfang dieser Diagnostik und deren Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen. „Die sinnvollste Maßnahme wäre der Wegfall der Begrenzung auf 25 Kilobasenpaare bei der kleinen Mutationsanalyse“, sagte Franz Badura, Vorsitzender von PRO RETINA Deutschland, in der abschließenden Podiumsdiskussion bei der Hybridveranstaltung im Hotel AMANO am vergangenen Freitag.

Aktuell stehen zur Leistungsvergütung zwei Abrechnungsziffern im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) Katalog zur Verfügung. Die „kleine“ Mutationsanalyse ist im Gegensatz zur „großen“ auf die Entschlüsselung von 25 Kilobasenpaare (kbp) DNA begrenzt. Dies wird jedoch der enormen genetischen Heterogenität dieser Krankheiten in keiner Weise gerecht. Beispielsweise kommen für die Erkrankung Retinitis pigmentosa mindestens 70 Gene als verursachend in Frage, wobei deren Sequenzlänge die genannten 25 kbp um ein Mehrfaches überschreitet. Somit lässt die „kleine“ Mutationssuche keine adäquate Analyse aller als Krankheitsursache in Betracht kommenden Gene zu. Falls das krankheitsverursachende Gen nicht beim ersten Anlauf identifiziert wird, ist zwar nach 1 Jahr eine weitere, wiederum auf 25 kbp begrenzte Untersuchung möglich, verzögert damit aber den ohnehin oft schon langwierigen Weg zur Diagnosesicherung und verdoppelt obendrein die Kosten.

Alternativ kann an dieser Stelle die „große“ Mutationsanalyse eingesetzt werden. Hierfür besteht jedoch nach den bisherigen Regelungen eine vorherige Genehmigungspflicht durch die Krankenkassen, und die Erfahrung zeigt, dass dies meist nur über mehrere Widerspruchsverfahren durchgesetzt werden kann. Dieser Weg ist mühsam und oft wird eine solche erweiterte Diagnostik auch vollständig von den Krankenkassen abgelehnt.

„Diese Situation ist für uns betroffene Patienten und unsere Angehörigen unzumutbar, da viele Jahre bis zur Diagnosesicherung ins Land ziehen können“, so Franz Badura, der auch die politische Interessensvertretung im Hauptstadtbüro von PRO RETINA leitet.

Dabei ist eine möglichst exakte Diagnosesicherung von primärer Bedeutung für die betroffenen Patientinnen und Patienten, vor allem aber auch bietet sie im Kontext einer Verlaufsprognose oftmals entscheidende und unersetzliche Wegweisungen für die Berufs- und Lebensplanung eines Patienten.

PRO RETINA fordert daher einen dem aktuellen wissenschaftlichen und analysetechnischen Kenntnisstand entsprechenden, unbürokratischen Zugang für Patientinnen und Patienten mit erblichen Netzhautdystrophien zu einer adäquaten molekulargenetischen Diagnostik, welche für die weitere medizinische Versorgung oder für die Lebensqualität des Patienten relevante Ergebnisse liefern kann und für Patienten und Kostenträger aufwändige Mehrfachuntersuchungen vermeidet.

Pressekontakt zu PRO RETINA Deutschland: Dr. Judith Förster, presse@pro-retina.de, 0151 403 723 92

 

Über PRO RETINA Deutschland e. V.

PRO RETINA Deutschland e. V. ist mit bundesweit mehr als 6.000 Mitgliedern in rund 60 Regionalgruppen die größte und älteste Selbsthilfevereinigung von und für Menschen mit Netzhautdegenerationen und deren Angehörige. Durch umfassende und unabhängige Information und Beratung, Vernetzung, Interessenvertretung und Öffentlichkeitsarbeit setzen wir uns dafür ein, dass blinde und sehbehinderte Menschen ihre Krankheit (gemeinsam) bewältigen und ein selbstbestimmtes Leben führen. Wir fördern die Forschung, um Therapien zu entwickeln, die fortschreitenden Sehverlust aufhalten oder gar ganz verhindern, und verfügen über ein breites Netzwerk in Forschung und Augenheilkunde. Mehr Informationen auf www.pro-retina.de