GOÄ ‒ Die richtige (und vollständige) Abrechnung von Beratungsleistungen

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von Ernst Diel, ehem. Leiter Grundsatzfragen PVS Büdingen

Beratungsleistungen sind die am häufigsten abgerechneten Leistungen in einer Arztpraxis. Mit der Häufigkeit des Ansatzes verbunden ist auch die hohe Anzahl der Beanstandungen durch die Kostenträger. Beanstandungen treten ein, wenn die allgemeinen Bestimmungen der GOÄ zu diesen Leistungen nicht richtig angewendet oder diese Bestimmungen leider auch von Seiten der Kostenträger falsch interpretiert werden.

Beratung nach Nr. 1 GOÄ

Die GOÄ sieht mehrere Leistungen für die unterschiedlichsten Beratungssituationen vor. Es ist wichtig, die richtige Wahl für die Abrechnung zu treffen, ohne Honorar zu verschenken, was leider häufig der Fall ist. Zunächst gilt es, die „Spielregeln“ zu beachten, die banal erscheinen, jedoch fast täglich zum Thema werden. „Spielregeln“ in der GOÄ sind meist gleichbedeutend mit Ausschlussregelungen.

So dürfen die Leistungen nach Nr. 1 GOÄ und/oder Nr. 5 GOÄ (symptombezogene Untersuchung/80 Punkte/10,72 Euro) neben Leistungen nach den Abschnitten C bis O der GOÄ (gemeint sind hier alle Ziffern ab der Nr. 200 bis zum Ende) nur einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden.

 GOÄ

Legende

Punkte

Euro/2,3-fach

1

Beratung ‒ auch mittels Fernsprecher

80

10,72

 

Merke: Als Behandlungsfall gilt für die Behandlung derselben Erkrankung der Zeitraum eines Monats nach der ersten Inanspruchnahme des Arztes. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum EBM, bei dem der Behandlungsfall auf das Quartal lediglich zeitdefiniert ist, ohne dass eine neue Diagnose auch einen neuen Behandlungsfall auslöst. Eine neuer Behandlungsfall tritt nach GOÄ also ein bei einer neuen Diagnose oder nach Ablauf eines Monats.

Für richtige Beurteilung in Zusammenhang mit einem neuen Behandlungsfall dient ein einfaches Beispiel:

  • 07.10.2020: Abrechnung der Nrn. 1, 5, 252 und 70 GOÄ (Diagnose: Infekt)
  • 14.10.2020: Abrechnung der Nrn. 1, 5, 490 und 2001 GOÄ (Diagnose: Schnittverletzung)

Ergebnis: Die neue Diagnose löst einen neuen Behandlungsfall aus! 

Sofern keine neue Diagnose (Neuerkrankung) bis zum 15.10.2020 hinzukommt, ist in der Zwischenzeit die oben dargelegte „Spielregel“ zu beachten, d. h. Nr. 1 und/oder Nr. 5 GOÄ können vor diesem Datum nicht in Verbindung mit Leistungen ab der Nr. 200 GOÄ abgerechnet werden. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang auch noch die beiden folgenden Punkte: 

  • Sind die Leistungen, die man neben den Nrn. 1 und 5 nicht abrechnen kann, evtl. in ihrer Bewertung höher als die Nrn. 1 und/oder 5, so rechnen Sie die höherwertigen Leistungen ab! 
  • Sofern bei Leistungen, die bei Beachtung der „Spielregeln“ der Streichung unterfallen, berechnungsfähige Auslagen nach § 10 GOÄ (z. B. Verbände) angefallen sind, berechnen Sie diese dann unbedingt neben Nr. 1 und/oder Nr. 5 GOÄ!

Eingehende Beratung nach Nr. 3 GOÄ

Zunächst unterscheidet sich Nr. 3 von Nr. 1 GOÄ nur in der Zeitdauer, und zwar dahingehend, dass zum Erbringen des Leistungsinhalts bei Nr. 3 eine Mindestdauer von zehn Minuten nach den allgemeinen Bestimmungen der GOÄ vorgeschrieben ist.

 GOÄ

Legende

Punkte

Euro/2,3-fach

3

Eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung ‒ auch mittels Fernsprecher

(Dauer mindestens 10 Minuten)

150

20,11

Im Umkehrschluss heißt das, dass auch bei Erbringen einer Leistung nach Nr. 1 bei Überschreiten einer Zeitdauer von zehn Minuten hinsichtlich ihrer Bewertung bereits eine der Nr. 3 gleichwertige Bewertung erreicht sein muss!

Dauert die eingehende Beratung ungewöhnlich lange, z. B. 20 Minuten, so kann auch die Nr. 3 mit einem höheren Steigerungssatz berechnet werden. Weiterhin sind die folgenden Punkte zu beachten:

  • Die Nr. 3 GOÄ kann nur alleine oder aber in Verbindung mit den Ziffern 5, 6, 7, 8, 800 oder 801 berechnet werden. Andere als diese ‒ in den allgemeinen Bestimmungen der GOÄ ‒ abschließend aufgeführten Leistungen, sind neben Nr. 3 nicht abrechnungsfähig und werden auch regelmäßig von den Kostenträgern beanstandet. 
  • Die Nr. 3 ist nur einmal im Behandlungsfall berechnungsfähig, ein weiterer Ansatz bedarf einer Begründung in der Rechnung (z. B. erforderlich bei Rezidiv infolge Abbruch der medikamentösen Therapie durch den Patienten).   

 Tipp: Als Alternative zur Nr. 3 GOÄ kann der Ansatz der Nr. 1 GOÄ unter Anwendung eines höheren Steigerungsfaktors mit der Begründung eines Zeitaufwands von mehr als zehn Minuten gewählt werden,

  • wenn eine Begründung für einen weiteren Ansatz der Nr. 3 GOÄ im selben Behandlungsfall nicht ohne Weiteres möglich ist oder
  • der Ansatz der Nr. 3 neben weiteren Leistungen des Abschnitts B GOÄ (z. B. Untersuchungsleistungen) erfolgen müsste.

Bei den Nrn. 1 und 3 GOÄ ist darauf zu achten, dass diese nicht neben einem Hausbesuch nach den Nrn. 50 oder 51 GOÄ berechnungsfähig sind. Der Grund: Die Beratung (ebenso wie die Untersuchungsleistung nach Nr. 5 GOÄ) ist bereits laut Leistungsbeschreibung enthalten (in den Nrn. 50 und 51 GOÄ jeweils: "... einschließlich Beratung..."). Auch hier besteht die Alternative, bei zeitintensiven Beratungsgesprächen während eines Hausbesuchs dann die Nr. 50 (320 Punkte/42,90 Euro) oder die Nr. 51 (250 Punkte/33,52 Euro) mit einem höheren Steigerungssatz abzurechnen. 

 

Merke: Eine Umgehung der „Spielregeln“ wurde auch schon durch „Abrechnungsempfehlungen“ oft ungeklärten Ursprungs versucht, indem man dazu riet, anstelle von Nr. 1 oder Nr. 3 Positionen aus dem Bereich Neurologie/Psychiatrie „analog“ abzurechnen, da hier die Mehrfachabrechnung innerhalb eines Behandlungsfalls auch in Kombination mit anderen Leistungen möglich ist. Vor Nachahmung sei allerdings gewarnt! Alle Kostenträger beanstanden mit Recht diese Art der Abrechnung, zumal eine analoge Bewertung i. S. von § 6 Abs. 2 der GOÄ nur dann zulässig ist, wenn eine entsprechende Leistung im Gebührenverzeichnis der GOÄ nicht vorhanden ist. Da aber Beratungen (leider mit honorarbegrenzenden Ausschlussregelungen) in der GOÄ vorhanden sind, ist eine analoge Bewertung nicht möglich!

Fremdanamnese nach Nr. 4 GOÄ

Diese Leistung beinhaltet nicht die klassische Beratung, hat jedoch dort ihre Berechtigung, wo Bezugspersonen zusätzlich zum Patienten selbst im Zusammenhang mit der Behandlung des Patienten unterwiesen (beraten) werden. In dieser Situation ist Nr. 4 neben Nr. 1 GOÄ ansatzfähig.

GOÄ

Legende

Punkte

Euro/2,3-fach

4

Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson(en) ‒ im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken.

220

29,49

Häufig wird jedoch Nr. 4 auch dann neben Nr. 1 zum Ansatz gebracht, wenn sich Beratung und die Unterweisung der Bezugsperson an die gleiche Person richten: Klassisches Beispiel hierfür ist die Behandlung eines Säuglings oder Kleinkinds, welches noch nicht kommunikationsfähig ist und demzufolge auch nicht selbst beraten werden kann. In diesem Fall ist lediglich Nr. 4 als höherwertige Leistung gegenüber der Mutter ansatzfähig. Eine direkte Beratung des Säuglings hat nicht stattgefunden. Leider kommt es wegen Nichtbeachtung dieses Sachverhalts immer wieder zu Beanstandungen der Kostenträger.

„Bezugspersonen“, die einer Unterweisung bedürfen, gibt es nicht nur im familiären Bereich (z. B. Mutter => Kind) sondern auch z. B. in Altenpflegeheimen ( Pflegekraft => Patient). Haben Sie diese Tatsache bereits bei der Behandlung von Patienten auf einer Pflegestation berücksichtigt? Auch hier gilt wieder die „Spielregel“: Einmal im Behandlungsfall (Zeitdauer eines Monats oder bei Neuerkrankung) ist der Ansatz z. B. neben Besuchen und weiteren Behandlungsleistungen möglich.

Erörterung nach Nr. 34 GOÄ

Aus der Leistungsbeschreibung wird deutlich, dass die Erörterung zwar eine Beratung beinhaltet, jedoch keineswegs anstelle einer Beratung angesetzt werden kann.

GOÄ

Legende

Punkte

Euro/2,3-fach

34

Erörterung (Dauer mindestens 20 Minuten) der Auswirkungen einer Krankheit auf die Lebensgestaltung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Feststellung oder erheblichen Verschlimmerung einer nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohenden Erkrankung ‒ gegebenenfalls einschließlich Planung eines operativen Eingriffs und Abwägung seiner Konsequenzen und Risiken ‒, einschließlich Beratung ‒ gegebenenfalls unter Einbeziehung von Bezugspersonen.

300

40,22

Nur wenige Leistungen der GOÄ werden so häufig von Kostenträgern beanstandet wie die Nr 34 GOÄ. Häufig ist dies jedoch unbegründet und voreilig, da sich auch viele Sachbearbeiter bei Versicherungen und Beihilfestellen nicht näher mit dem Leistungsinhalt auseinandergesetzt haben. Sie unterstellen regelmäßig, die Leistung wäre aufgrund ihrer Bewertung anstelle einer Beratungsleistung angesetzt worden. Oft wird auch behauptet, die Erkrankung müsse „lebensbedrohend“ sein um einen Ansatz zu rechtfertigen.

In solchen Fällen kommt es oft darauf an, den Ansatz der Leistung durch eine stichhaltige Begründung im Beanstandungsfall zu rechtfertigen. Nachstehend einige Hinweise zu ausgewählten Formulierungen aus der Leistungslegende der Nr. 34 GOÄ: 

  • Unmittelbarer Zusammenhang mit der Feststellung: Diese Formulierung meint nicht den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang, sondern den sachlichen Zusammenhang, der zeitlich durchaus einige Zeit nach der Feststellung einer Erkrankung auch noch gegeben ist. 

 

  • Nachhaltig lebensverändernd oder lebensbedrohend: Der nachhaltig lebensverändernde Aspekt ist ausreichend. (z. B. Einschränkung der Lebensqualität => Ernährung, Sportverbot bei Leistungssportler, Gehbehinderung, Einschränkungen bei der Berufsausübung) Lebensbedrohende Aspekte müssen nicht vorliegen. 
  • Gegebenenfalls einschließlich Planung eines operativen Eingriffes und Abwägung seiner Konsequenzen und Risiken: Diese Planung (und Abwägung) ist fakultativer Bestandteil der Leistung, der aber die nachhaltig lebensverändernden oder gar lebensbedrohenden Aspekte (z. B. die sich bei Ablehnung einer Operation daraus ergebenden Konsequenzen) z. B. bei einem präoperativen Aufklärungsgespräch beinhaltet. Wichtig ist in diesem Fall die zur Erfüllung des Leistungsinhalts erforderliche Mindestdauer der Erörterung von 20 Minuten. Sofern diese Zeitdauer nicht erfüllt ist, kann lediglich nach den Nrn. 1 bzw. 3 abgerechnet werden.

Nr. 34 GOÄ ist ‒ abweichend von den Nrn. 1 und 3 ‒ innerhalb eines halben Jahres zweimal berechnungsfähig. Dies bedeutet aber nur eine Beschränkung innerhalb dieses Zeitraums, wobei der zeitliche Abstand zwischen beiden Leistungen durchaus kürzer sein kann. Maßgeblich für die Zeitspanne ist die Zeit ab dem ersten Ansatz der Nr. 34 GOÄ.