Ein Meilenstein für die Heilung von Netzhautkrankheiten

Der Körber-Preis 2020 geht an Botond Roska

©Körber-Stiftung / Friedrun Reinhold
©Körber-Stiftung / Friedrun Reinhold

Die Körber-Stiftung vergibt seit 1985 jedes Jahr einen Preis an europäische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen für große Erfolge in der Forschung. Der Körber-Preis gilt als hochrangiger europäischer Wissenschaftspreis und geht in diesem Jahr an den Neurobiologen Botond Roska.

Im letzten Jahr ehrte die Stiftung Bernhard Schölkopf für seine revolutionäre Forschung an Algorithmen für eine stark optimierte Reaktion einer künstlichen Intelligenz auf individuelle Situationen. Diese findet nun Gebrauch in der medizinischen Bildverarbeitung, der Identifikation von Genen, der Klimaforschung und vielem mehr.

Der diesjährige Preis widmet sich der Augenheilkunde und richtet sein Augenmerk auf die Forschung zum Heilen der Blindheit. Am 7. September 2020 wird Botond Roska den Preis in Höhe von einer Million Euro in Hamburg entgegennehmen.

Der ungarische Neurobiologe hat bisher fast sein gesamtes Leben der medizinischen Forschung gewidmet und hat ein klares Ziel vor Augen: die Sehkraft der Menschen wiederherstellen.

Botond Roska wurde 1969 geboren und wuchs in Budapest auf. Sein Vater war Computerwissenschaftler, seine Mutter war leidenschaftliche Musikerin. So studierte er zunächst Violoncello. Doch als er sich an der Hand verletzte, war er gezwungen, seine musikalische Laufbahn zu beenden. So wandte er sich der Wissenschaft zu.

Zuerst schloss er ein Studium der Mathematik (Eötvös-Lorand-Universität, Ungarn) und der Medizin (Semmelweiss-Universität, Ungarn) ab. Bei einem Abendessen wurde in ihm dann sein Interesse an der Netzhaut entfacht, worauf er anschließend den Ph.D. der Neurobiologie (University of California Berkeley, USA) mit der Facharbeit „Vertical interactions among parallel image representations in the rabbit retina“ erlangte. Schließlich begann er als Postdoktorant an der Harvard University im Fachgebiet Genetik.

2005 ist Botond Roska der Leiter seiner eigenen Forschungsgruppe am Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research geworden und neun Jahre später verlieh ihm die Medizinische Falkultät der Universität Basel den Professorentitel. Am Institute of Molecular and Clinical Ophthalmology  (IOB) ist er einer der beiden Gründungsdirektoren. Dabei ist Botond Roska auch Familienvater und Ehemann, Freizeit bleibt in seinem Leben aber nur noch an einigen Sonntagen übrig. Nach eigenen Aussagen ist es aber genau das Soziale, was ihn mehr Kraft im Alltag kostet.

Botond Roskas Forschung – zwei riesige Erfolge

Das Ziel seiner Arbeit ist es die Blindheit zu heilen. Und diesem Ziel kommt er von Tag zu Tag näher.                                       

Er forscht dabei an neuronalen Schaltkreisen der Retina, des Thalamus und des visuellen Cortex. Er studierte mit seinem Team die über 100 verschiedenen Zelltypen der Netzhaut und analysierte erstmalig deren Zusammenwirken. Dadurch erkannte er verschiedenste Gendefekte in der Netzhaut, welche die Ursache der häufigsten Sehstörungen sind.

Durch diese Erkenntnis konnten neue Therapien für die Retinis pigmentosa und die altersbedingte Makuladegeneration entwickelt werden. Sein zweiter großer Erfolg verhalf ihm bei der Entwicklung dieser Therapien umso mehr. Indem er seinen Patienten eine Hautzelle entnahm und diese in einer Petrischale in einer Vielzahl an gentechnischen Schritten bearbeitete, gelang es ihm innerhalb von etwas über einem halben Jahr eine vollständig künstliche Netzhaut zu züchten. Dieses Organoid dehnt die Möglichkeiten der Versuche von verschiedensten Gentherapien aus, da die Gendefekte des Patienten auch in der künstlichen Netzhaut auftreten.


Dünnschnitt eines Retina-Organoids (Körber-Stiftung / Friedrun Reinhold)

Therapien zur Heilung von Retinis pigmentosa und AMD

Botond Roska und sein Team des IOB haben eine Gentherapie mit Infrarotlicht entwickelt. Inspiriert von der Tierwelt, in der beispielsweise Schlangen wärmeempfindliche Proteine (Transient Receptor Potential (TRP) Ionenkanäle)  zum Wahrnehmen der Infrarotstrahlung ihrer Beute nutzen.

Bei der Gentherapie werden blinde Netzhautzellen auf Infrarotlicht sensibilisiert. Der TRP-Ionenkanal entsteht durch einen DNA-Abschnitt. Dieser wird durch Antikörper mit einem Goldnanopartikel verbunden, welcher das Infrarotlicht absorbiert. Der DNA-Abschnitt, das Goldnanopartikel und der Antikörper gelangen über eine Mikroinjektion und eine virale Genfähre in die Netzhautzellen.

Durch die minimale Wärme des absorbierten Infrarotlichts werden die TRP-Ionenkanäle geöffnet und Nervenimpulse werden ausgelöst. Diese sind nach aktuellem Forschungsstand einer gesunden Sehkraft gleich. Tests an Mäusen und Organspenden bestätigten diese Erkenntnisse.

Ein weiterer Ansatz zur Heilung der AMD mithilfe von infrarotem Licht wird derzeit mit Spezialbrillen versucht. Diese Brillen projizieren Infrarotlicht auf die degenerierte Fovea. Dieses Verfahren wird jedoch gerade für Makuladegenerationen als ungeeignet beschrieben. Dr. Dasha Nelidova, Postdoc im Labor von Botond Roska erklärt, dass ein Licht einer anderen Wellenlänge nötig wäre um Patienten mit ausschließlichem Verlust ihres zentralen Sehvermögens nicht zu überfordern. Die Forschungen an dieser Brille laufen jedoch noch.

In der Forschung zur Sehkraft von Patienten mit Retinis pigmentosa erreichte Botond Roska einen erneuten Meilenstein in der Ophthalmologie. Auch hier arbeitet er mit Protein-Kanälen, die er in die noch intakten Zellen der Netzhaut einbaut. Diese Kanäle sind sehr lichtempfindlich und werden aus Algen, Pilzen und Bakterien erzeugt und mittels Genfähren eingebaut. Dadurch übernehmen die Protein-Kanäle die Aufgabe der abgestorbenen Lichtrezeptorzellen. Eine Studie mit 5 Probanden läuft derzeit.

Die EYEFOX-Redaktion gratuliert dem Gewinner herzlich zum Körber-Preis und freut sich über die neuen Errungenschaften für die Augenheilkunde.

 

Eyefox Redaktion : Carla Stella Hermel