GOÄ: Höherer Faktor: Mit guter Begründung Einwänden vorbeugen

Die grundlegenden Anforderungen der GOÄ an die Bemessung des Steigerungsfaktors obliegen dem Arzt. Er kann beurteilen, ob eine Leistung mit höherem Faktor bemessen werden muss. Bei der Bemessung eines höheren Faktors muss dafür in der Rechnung eine Begründung gegeben werden. Worauf es bei der Begründung ankommt, wird in diesem Beitrag gezeigt. von Dr. med. Bernhard Kleinken, Pulheim

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„Auf die einzelne Leistung bezogen“

Die Regelungen zu den Begründungen für eine Faktorsteigerung findet man in § 12 Abs. 3 der GOÄ (Rechnung). In Satz 1 heißt es dort: „Überschreitet eine berechnete Gebühr … das 2,3-fache des Gebührensatzes, ist dies

·         auf die einzelne Leistung bezogen …

·         verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen…“ (es folgt die Erklärung, dass dies auch beim 2,5- bzw. 1,15-fachen Faktor gilt).

Die Anforderung „auf die einzelne Leistung bezogen“ bedeutet, dass die Begründung inhaltlichen Bezug zu der jeweiligen Leistung haben muss. Sie muss für diese Leistung zutreffen (s. hierzu auch die Ausführungen im ersten Beitrag unter „Die Bemessungskriterien“).

Darüber hinaus muss in der Rechnung eindeutig sein, zu welcher Leistung die Begründung gehört. Das kann man ganz einfach dadurch sicherstellen, dass die entsprechende Begründung direkt nach der gesteigerten Leistung angeführt wird.

Merke: Der Passus „auf die einzelne Leistung bezogen“ verlangt nicht, dass zu jeder Leistung ein anderer Grund für den höheren Faktor angegeben werden muss. Es gibt durchaus Fälle, in denen derselbe Grund mehrere Leistungen schwieriger/zeitaufwendiger macht, z. B. eine verstärkte Blutungsneigung oder das Vorliegen mehrerer Erkrankungen.

 „Verständlich und nachvollziehbar“

„Nachvollziehbar“ ist eine Begründung, wenn sie die Antwort auf die Frage „Warum war es schwieriger/zeitaufwendiger?“ liefert. Allein die Anführung der Bemessungskriterien (z. B. „erhöhter Zeitaufwand“) reicht nicht.

Vielmehr muss dem Patienten möglich sein, nachzuvollziehen, weshalb gerade bei ihm der höhere Faktor berechnet wird. D. h., die Begründung muss einen Bezug auf die Erkrankung(en) oder individuellen Gegebenheiten bei dem Patienten haben.

Die geforderte Verständlichkeit geht noch über die Nachvollziehbarkeit hinaus. Die Begründung muss dem sogenannten „verständigen Laien“ verständlich sein. Fachausdrücke können verwendet werden, wenn sie gängig oder leicht nachzuschlagen sind. Fachausdrücke, welche selbst bei Kollegen nicht gängig sind, oder gar kryptische Abkürzungen sind zu vermeiden.

Kurz oder lang fassen?

Durch zahlreiche Gerichtsurteile ist bestätigt, dass die Begründung auch knapp gefasst werden darf. Andererseits kann eine ausführlichere Formulierung die Begründung auch für Laien verständlicher machen und die Zahl der Nachfragen reduzieren.

Beispiel für eine ausführliche und verständliche Begründung: Eine Beratung wird wegen des Vorliegens mehrerer Erkrankungen zeitaufwendiger. Eigentlich reicht als Begründung ein knappe Angabe wie z. B. „komplexes Krankheitsbild“ aus. Viel verständlicher und individueller ist aber z. B. „erhöhter Zeitaufwand bei mehreren, gleichzeitig bestehenden Erkrankungen (s. Diagnosen)“. Hier sollte man abwägen, u. a. auch hinsichtlich der Frage, ob ein Kostenträger als „schwierig“ bekannt ist. Eine „Pflege“ der Formulierungen in der Praxis-EDV (auch unterschiedliche Formulierungen, die mit entsprechenden Kürzeln abrufbar sind) hat sich dabei als hilfreich erwiesen.

Die „nähere Erläuterung“

In § 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ ist festgehalten, dass die Begründung auf Verlangen „näher zu erläutern“ ist. Einige Kostenträger versuchen, dem Arzt den Ansatz höherer Faktoren dadurch zu verleiden, dass sie über den Patienten routinemäßig eine „nähere Erläuterung“ fordern.

Davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen. Auch die „nähere Erläuterung“ kann knappgehalten werden. Mit wenigen Sätzen wird das, was schon in der Rechnung stand, etwas mehr ausformuliert und/oder individualisiert. Teilweise erscheint das, was auf Verlangen als nähere Erläuterung als ausreichend akzeptiert wird, beinahe schon absurd.

Beispiel für eine „nähere Erläuterung“: Eine Beihilfe verlangt eine „nähere Erläuterung“, weil bei einer Wundversorgung im Gesichtsbereich die Begründung „erhöhter Zeitaufwand bei Intracutannaht“ nicht genügend patientenbezogen sei. Mit der Formulierung „Zur Erzielung einer nicht entstellenden Narbe erfolgte bei Frau … statt der bei Wundversorgung ausreichenden Einzelknopfnähte eine zeitaufwendige Intracutannaht mit feinstem Nahtmaterial“ gab sie sich zufrieden. Auch hier wird der Aufwand durch „Einpflege“ in die Praxis-EDV zunehmend geringer.

 Im Interesse der Wahrung des guten Arzt-Patienten-Verhältnisses kann man auch über das oft überzogene Verhalten des Kostenträgers aufklären. Zum Beispiel mit einem Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 08.11.2007 (Az. III ZR 54/07). Darin heißt es: „Das darf aber nicht dazu führen, dass die Begründung der Ermessensentscheidung für jede einzelne Leistungsposition einen Raum einnimmt, hinter dem der Aufwand für die ärztliche Leistung in den Hintergrund tritt.“

Speziell zur Beihilfe und noch viel prägnanter hat sich das Amtsgericht (AG) Langenfeld am 17.12.1998 geäußert (Az. 23 C 315/98): „Mehr als das [was der Arzt getan hatte; Anmerkung des Verfassers] würde das Maß allen Zumutbaren sprengen und kann von ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) schlechterdings nicht verlangt werden, wobei hinlänglich bekannt ist, dass die für die Bewilligung von Beihilfe zuständigen Behörden (wohl aufgrund der langjährigen Haushaltsmisere von Bund und Ländern) in zunehmenden Maße eine ausgesprochen restriktive Haltung einnehmen ... kann aber nicht Beurteilungsgrundlage sein... Bei anderweitiger Betrachtung würde nämlich kaum ein Arzt seiner Hauptaufgabe, d. h., die Behandlung von Kranken, erfüllen können, weil er nahezu pausenlos mit der Erläuterung seiner Rechnungen beschäftigt wäre.“

Fazit: Die Formulierung der in der privatärztlichen Rechnung anzugebende Begründung für einen höheren Steigerungsfaktor ist auch deshalb von Bedeutung, weil sie zu (unnötigen) Rückfragen führen kann. Es lohnt sich also, dabei einige Dinge zu berücksichtigen.

·         Die in der Rechnung anzugebene Begründung für den höheren Faktor sollte die Frage nach dem „Warum“ beantworten.

·         Sie darf knapp gehalten werden. Andererseits machen etwas Ausführlichkeit und die Wahl allgemeinverständlicher Begriffe die Begründung ggf. verständlicher und individueller, was die Zahl von Einwänden reduziert.

·         Auch das Verlangen nach einer „näheren Erläuterung“ sollte nicht von der Bemessung höherer Faktoren abhalten. Knappe Erläuterungen sind auch hier ausreichend.

·         Das Einpflegen von Begründungen und Erläuterungen in die Praxis-EDV verringert zunehmend den Zeitaufwand.