Mikrochip-Implantat: Wiederherstellung des zentralen Sehvermögens bei geographischer Atrophie

In einer internationalen, von Prof. Frank Holz koordinierten klinischen Studie konnte bei Patientinnen und Patienten mit geographischer Atrophie erstmals das zentrale Sehvermögen teilweise wiederhergestellt werden. Grundlage dafür ist ein innovatives subretinales Mikrochip-Implantat. Über 80 Prozent der Teilnehmenden zeigten deutliche Verbesserungen der Sehschärfe, mehr als 84 Prozent konnten nach der Implantation wieder Buchstaben, Zahlen oder Wörter erkennen.

Implantation eines elektronischen Netzhaut-Chips in der Augenklinik des UKB durch Prof. Frank Holz  Bild: UKB) / J.F. Saba
Implantation eines elektronischen Netzhaut-Chips in der Augenklinik des UKB durch Prof. Frank Holz Bild: UKB) / J.F. Saba

Die Studienergebnisse eines interdisziplinären Forschungsteams unter Federführung der Augenklinik des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und in Zusammenarbeit mit der Universität Bonn wurden nun im renommierten New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlicht.

Die für die Umwandlung des Lichts in elektrische Impulse verantwortlichen Zellen der Netzhaut sterben bei der AMD ab. Das nur 2 × 2 Millimeter große und 30 Mikrometer dünne PRIMA-Implantat wird unter die Netzhaut im Rahmen eines mikrochirurgischen Eingriffs eingesetzt und ersetzt die Funktion degenerierter Photorezeptoren. Über eine spezielle Brille wird Infrarotlicht auf das Implantat projiziert, das dieses in elektrische Signale umwandelt. Diese regen verbliebene, intakte Netzhautzellen an, wodurch im visuellen Cortrex des Gehirns optische Wahrnehmungen entstehen.

Das Photovoltaic Retina Implant Microarray (PRIMA)-System
Dargestellt ist die Anatomie einer gesunden Netzhaut (Panel A) und einer Netzhaut mit geografischer Atrophie aufgrund einer altersbedingten Makuladegeneration (Panel B). Das PRIMA-System (Panel C) kombiniert ein subretinales Photovoltaik-Implantat, einen Taschenprozessor und eine Brille, die nahes Infrarotlicht auf das Implantat projiziert, um das Sehvermögen in Bereichen mit zentraler Netzhautatrophie wiederherzustellen. Die Kamera erfasst das von einem Bild (z. B. einem Buchstaben R) reflektierte Licht und sendet die visuellen Informationen an den Taschenprozessor. Die verarbeiteten Informationen werden dann an die Brille gesendet und mittels Nahinfrarotlicht (Wellenlänge 880 nm) auf das Implantat projiziert. Der Buchstabe R auf dem Implantat wird rot dargestellt, um anzuzeigen, dass sich die Wellenlänge des projizierten Bildes von der des vom ursprünglichen Buchstaben R reflektierten Lichts unterscheidet. Um eine kontinuierliche, ununterbrochene zentrale visuelle Wahrnehmung zu erreichen, arbeitet der Projektor mit einer Bildfrequenz von 30 Hz, und der Prozessor passt die wahrgenommene Helligkeit an, indem er die Impulsdauer von 0,7 bis 9,8 ms bei einer Spitzenbestrahlungsstärke von 3,5 mW pro Quadratmillimeter steuert. Das Implantat hat eine Fläche von 2 mm x 2 mm und besteht aus Pixeln mit einer Breite von 100 μm. Jedes Pixel umfasst eine aktive Elektrode in der Mitte, ein hexagonales Rückleitungselektrodennetz und zwei Fotodioden, die den Raum zwischen der aktiven und der Rückleitungselektrode ausfüllen. Die Fotodioden wandeln das Nahinfrarotlicht in elektrischen Strom um, um die nahegelegenen inneren Netzhautneuronen zu stimulieren, die die elektrischen Informationen in der Netzhaut verarbeiten. Diese Informationen werden dann über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet, wo sie als visuelles Bild interpretiert werden.

Abbildung: Frank G. Holz et al.: Subretinal Photovoltaic Implant to Restore Vision in Geographic Atrophy Due to AMD, New England Journal of Medicine (NEJM) 

An der Studie nahmen insgesamt 38 Personen an 17 Kliniken in fünf Ländern teil. Die Ergebnisse zeigen: Bei 81,3 Prozent der Teilnehmenden verbesserte sich die Sehschärfe bereits nach zwölf Monaten signifikant – um mindestens zehn Buchstaben auf der standardisierten ETDRS-Sehtafel. Gleichzeitig blieb das natürliche periphere Sehvermögen stabil. Das Implantat wurde insgesamt gut vertragen; die meisten Nebenwirkungen traten innerhalb der ersten acht Wochen auf.

Meilenstein in der Behandlung der geographischen Atrophie

„Diese Ergebnisse markieren einen Meilenstein in der Behandlung der geographischen Atrophie. Erstmals gelingt es, zentrale Sehfunktionen bei fortgeschrittener AMD teilweise zurückzugewinnen“, erklärt Erstautor und klinischer Koordinator der Studie Prof. Frank Holz, Direktor der Augenklinik des UKB und Netzhautchirurg, der auch an der Universität Bonn forscht. „Für viele Betroffene eröffnet sich dadurch eine neue Perspektive.“

Auch Dr. Mahi Muquit, Netzhautchirurg am Moorfields Eye Hospital in London und Co-Autor der Studie, betont die Tragweite: „Während bisherige Therapien meist nur das Fortschreiten der Erkrankung bremsen, erlaubt dieser Ansatz erstmals eine partielle Wiederherstellung des Sehens – ein echter Paradigmenwechsel.“

Klinischer Nutzen überwiegt potenzielle Risiken

Ein unabhängiges Data Safety Monitoring Board sprach sich einstimmig für eine Zulassung der Technologie auf dem europäischen Markt aus. Die Expertengruppe kam zu dem Schluss, dass der klinische Nutzen die potenziellen Risiken überwiegt.

Die getestete Implantatversion richtet sich an Menschen mit fortgeschrittener trockener AMD und Verlust des zentralen Sehens. Weitere Verbesserungen von Bildverarbeitung und Tragekomfort befinden sich bereits in der Entwicklung. Zulassungsverfahren in Europa laufen.

Originalveröffentlichung: Frank G. Holz et al.: Subretinal Photovoltaic Implant to Restore Vision in Geographic Atrophy Due to AMD, in: New England Journal of Medicine, 2025, DOI: https://doi.org/10.1056/NEJMoa2501396

Quelle: Universitätsklinikum Bonn (UKB)