Frühe Diagnose seltener Netzhauterkrankungen entscheidend – Gentherapie eröffnet neue Chancen für Kinder

Retina plus e.V. macht auf die Bedeutung früher Diagnose und Behandlung seltener erblich bedingter Netzhauterkrankungen bei Kindern aufmerksam.

Pexels / Rene Terp
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Kinderrechte und Augengesundheit

Die Verhinderung von Sehverlust bei Kindern ist nicht nur eine medizinische Aufgabe, sondern auch eine Frage der Kinderrechte:

  • Recht auf Gesundheit (Artikel 24 UN-KRK): Gute Sehkraft ist Grundvoraussetzung für die körperliche und geistige Entwicklung. Frühzeitige Untersuchungen und Behandlungen können Sehverlust verhindern und Kindern Zugang zu neuen Therapien wie Gentherapie ermöglichen.
  • Recht auf Bildung (Artikel 28 UN-KRK): Kinder, die schlecht sehen, haben im Unterricht gravierende Nachteile. Ein funktionierendes Sehvermögen ermöglicht ihnen, gleichberechtigt zu lernen und ihre Zukunft selbst zu gestalten.

 „Wenn wir Sehverlust verhindern, schützen wir zentrale Kinderrechte“, betont Retina plus e.V.

 LCA – eine seltene, aber gravierende Erkrankung

Die Lebersche kongenitale Amaurose (LCA) ist eine der frühesten und schwersten Formen erblicher Netzhautdystrophien. Bereits im Säuglingsalter können sich Symptome wie stark eingeschränktes Sehen, fehlende Pupillenreaktion, Augenzittern oder Nachtblindheit zeigen. Ohne Behandlung schreitet die Erkrankung fort und führt oft schon im Jugendalter zur Erblindung.
Es handelt sich um eine seltene Erkrankung mit einer RPE65-Mutation, eine Form der LCA, die heute mit Gentherapie behandelbar ist.
Zunächst müssen aber die Symptome richtig und rechtzeitig erkannt werden und bei Verdacht eine molekulargenetische Diagnostik erfolgen.

Gentherapie als Realität – und Hoffnung für Kinder

Mit Luxturna® wurde 2018 die erste Gentherapie für eine Netzhauterkrankung in Europa zugelassen. Sie ersetzt das defekte RPE65-Gen durch ein gesundes Gen, das mithilfe eines viralen „Transportvehikels“ in die Netzhautzellen eingeschleust wird.
„Für Kinder, die im Dunkeln kaum noch etwas sehen konnten, bedeutet diese Behandlung einen Quantensprung: Sie können nach der Therapie sogar nachts wieder Fahrradfahren“, berichtet Prof. Dr. med. Siegfried Priglinger, Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Die Wirkung setze meist innerhalb weniger Tage bis Wochen ein – schwere Nebenwirkungen seien bislang nicht festgestellt worden.
Das Besondere an Luxturna: Die Therapie kann nicht nur den Krankheitsverlauf bremsen, sondern verlorengegangene Sehfunktionen teilweise wiederherstellen – möglicherweise dauerhaft.

Grenzen und neue Strategien

Doch die klassische Gentherapie hat Grenzen. „Viele Gene sind zu groß, um sie mit den gängigen Viren zu transportieren, und wir benötigen für eine erfolgreiche Behandlung noch funktionstüchtige Sinneszellen in der Netzhaut“, so Priglinger. Bei fortgeschrittener Degeneration ist eine Therapie mit Luxturna nicht mehr möglich.
Deshalb rücken neue Forschungsansätze in den Fokus:

  • CRISPR-Cas9: Korrektur krank machender Mutationen direkt in den Fotorezeptoren
  • Antisense-Oligonukleotide: Verhindern schädliche Proteine und ermöglichen funktionsfähige Eiweiße
  • Optogenetik: Macht nicht-lichtsensitive Zellen wieder lichtempfindlich – auch in späten Krankheitsstadien

Diese Entwicklungen zeigen: Gentherapie ist längst Realität – und ihr Potenzial wächst rasant.

Retina plus e.V. fordert: Jedes Kind mit Verdacht auf eine erblich bedingte Netzhauterkrankung muss frühzeitig Zugang zu genetischer Diagnostik und innovativen Therapien erhalten. Nur so können Kinder ihr Recht auf Gesundheit und Bildung wahrnehmen und ihre Zukunft aktiv gestalten.