Organische photoelektrochemische Transistoren: Neuer Ansatz zur Behandlung von Netzhauterkrankungen
Ein interdisziplinäres Forschungsteam um Prof. Francesca Santoro und Dr. Valeria Criscuolo (RWTH Aachen und Forschungszentrum Jülich), hat in Zusammenarbeit mit Prof. Daniele Leonori (RWTH) und Jun. Prof. Giovanni Maria Piccini (Universität von Modena und Reggio Emilia) eine neue Klasse von sogenannten organischen photoelektrochemischen Transistoren (OPECTs) entwickelt. Diese sind in der Lage, biologische Synapsen mit lichtgesteuerter, reversibler analoger Plastizität nachzuahmen.
Die Forschungsergebnisse wurden nun in dem Aufsatz Designing Light-Sensitive Organic Semiconductors with Azobenzenes for Photoelectrochemical Transistors as Neuromorphic Platforms in Advanced Science veröffentlicht.
Langfristig könnte diese Forschung den Weg für neue Ansätze zur Behandlung von Netzhauterkrankungen – etwa altersbedingten Sehstörungen – ebnen. Bevor die Technologie in die Medizin Einzug hält, müssen die Forschenden sie auf ihre Kompatibilität mit lebendem Gewebe prüfen. Dazu führen die sie In-vitro-Analysen durch und untersuchen unter anderem das Nervengewebe.
Neuromorphe Elektronik
Das Gehirn funktioniert durch die Weiterleitung von Signalen zwischen den Nervenzellen und passt sich mit der Zeit an, um zu lernen und sich zu erinnern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen, diese Art von Verhalten in elektronischen Geräten nachzubilden, ein Bereich, der als neuromorphe Elektronik bekannt ist. Dabei geht es um die Entwicklung von Hardware und Software, die neuronalen und synaptischen Strukturen und Funktionen des Gehirns simulieren, um Informationen zu verarbeiten. Neuromorphe Elektronik, die sich gegenüber herkömmlichen Chips durch hohe Energieeffizienz und geringen Platzbedarf auszeichnet, könnte in Zukunft implantiert als Ersatz für durch Krankheit ausgefallene periphere neuronale Systeme eingesetzt werden.
Der Schwerpunkt dieser Forschung liegt auf einem chemisch abstimmbaren Rahmen für die Entwicklung adaptiver organischer Schnittstellen mit potenziellen Anwendungen, die von biohybriden neuronalen Netzen bis hin zu optischen Sensoren und Gehirn-Maschine-Schnittstellen reichen. Die neuromorphe Plattform bietet eine modulare, stromsparende Lösung für die Integration von lichtbasierter Modulation in die weiche Bioelektronik.
Damit die Technologie künftig mit echten Nervenzellen zusammenarbeiten kann, muss diese biokompatibel sein und bei Körpertemperatur funktionieren. Aus diesem Grund wird ein spezieller, mit bestimmten lichtempfindlichen Molekülen modifizierter Kunststoff (PEDOT:PSS) verwendet, der weich und leitfähig ist.
Die Grundlagen für diese Arbeiten wurden im Rahmen des RWTH Seed-Fund-Projekts (Organic opto-electronic synaptic devices for retina-like building blocks, kurz ‚Syn-Retina‘) gelegt, das im Rahmen des Exploratory Research Space der RWTH gefördert und auch vom Eurpäischen Forschungsrat (BRAIN-ACT Grant No. 949478) unterstützt wurde.
Über die Forschungsgruppe
Prof. Francesca Santoro ist seit 2022 Inhaberin des Lehrstuhls Neuroelectronic Interfaces, der mit dem Forschungszentrum Jülich, Institut für Biologische Informationsverarbeitung, Bioelektronik (IBI-3), eingerichtet wurde. Zu ihren Forschungsinteressen gehören die Verknüpfung von Bioelektronik und Tissue Engineering sowie der Einsatz chipbasierter Technologien zur Einleitung regenerativer Prozesse im Gehirn mit dem Ziel, neurodegenerative Krankheiten zu heilen. Gemeinsam mit Prof. Daniele Leonori, Institut für Organische Chemie, und Jun. Prof. Giovanni Maria Piccini, Institut für Technische und Makromolekulare Chemie, leitet Santoro die Forschungsgruppe.
Quelle: Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Mehr zu den Forschungen von Prof. Santoro hier: Forschungszentrum Jülich: Entwicklung eines organischen Netzhautchips