Bundesgerichtshof: Entscheidung zu abrechenbaren GOÄ-Gebühren bei Lasik-OP

Ein Augenarzt kann eine ambulant-operative Korrektur einer Hornhautverkrümmung mit einem Femtosekundenlasers (nur) nach Nummer 1345 GOÄ plus Zuschlag nach Nummer 441 GOÄ abrechnen – eine analoge Abrechnung nach Nummer 5855 GOÄ ist dagegen nicht erlaubt, so der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil.

©Adobe Stock
©Adobe Stock

Der Fall
Der Patient und spätere Kläger litt an einem Grauen Star und einem Astigmatismus am linken Auge. Er ist bei der Beklagten privat krankenversichert.

Wegen dieser Beschwerden unterzog er sich in einer Augenarztpraxis einem operativen Eingriff an seinem linken Auge. Der Augenarzt führte dabei eine Katarakt-Operation zur Behandlung des Grauen Stars sowie eine Astigmatismus-Operation zur Korrektur einer Hornhautverkrümmung durch. Dabei setzte der Augenarzt einen Femtosekundenlaser ein.

Der behandelnde Augenarzt rechnete beide Operationen mit zwei unterschiedlichen Rechnungen ab:

1.  Katarakt-Operation:                                                       1.096,84 €

2.  Astigmatismus-Operation:                                           1.333,94 €
Nr. 1345 GOÄ: Hornhautplastik mittels Femto-Laser:     609,81 €
Nr. 5855 GOÄ analog: Femtosekundenlasereinsatz:     723,93 €

Die beklagte Versicherung bezahlte die Rechnung für die Katarakt-Operation ohne Beanstandung.
Auf die zweite Rechnung zahlte die beklagte Versicherung lediglich:
•   Nr. 1345 GOÄ:   609,81 €
•   Nr. 441 GOÄ:        67,69 €

Die Versicherung argumentierte, die Laserbehandlung sei keine eigenständige Leistung, sondern Teil der Gesamtleistung der Hornhautplastik.

Der Patient erhob Klage und obsiegte vor dem Amtsgericht. Die private Krankenversicherung legte Berufung zum Landgericht ein, das der Versicherung Recht gab und die Zahlungsklage des Patienten als unbegründet abwies.

Der Patient legte deshalb Revision zum Bundesgerichtshof ein. Er wandte u.a. ein, der Femtosekundenlaser arbeite berührungslos. Das Klinische Wörterbuch „Pschyrembel“ kenne unter dem Stichwort „Plastik“ nur Resektion, Implantation und Transplantation, nicht aber die operative Wiederherstellung oder Änderung der Hornhautform. Nach alledem sei der Lasereinsatz von der Leistung „Hornhautplastik“ nach Nr. 1345 GOÄ nicht erfasst, sondern könne eigenständig über Nr. 5855 GOÄ abgerechnet werden.

Die Entscheidung:

Zuerst einmal stellt der Bundesgerichtshof klar, dass Nr. 1345 GOÄ als selbständige Leistung neben der Katarakt-Operation abrechenbar sei.

Der BGH entschied weiter, dass der behandelnde Augenarzt Nr. 5855 GOÄ analog nicht hätte in Rechnung stellen dürfen.

Denn die zur Behandlung eines Astigmatismus mittels Femtosekundenlasers vorgenommene Korrektur einer Hornhautverkrümmung (Laser-Keratotomie) sei allein nach Nr. 1345 GOÄ, zu welcher der Zuschlag nach Nr. 441 GOÄ für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen gegebenenfalls hinzukommt, zu honorieren.

Für die Anwendung der Nr. 5855 GOÄ fehle es an einer selbständigen medizinischen Leistung. Diese Selbständigkeit erfordere eine eigenständige medizinische Indikation der Leistung. Diese Selbständigkeit (von Nr. 5855 GOÄ) sei zu verneinen, wenn diese Leistung Bestandteil einer anderen abgerechneten Leistung (hier: der Hornhautplastik nach Nr. 1345 GOÄ) ist oder es sich dabei nur um eine besondere Art der Ausführung der abgerechneten Leistung (hier: Nr. 1345 GOÄ) handele (vgl. § 4 Abs. 2a Satz 1 Alt. 2 GOÄ).  

Nr. 1345 GOÄ enthalte als Beschreibung der zu vergütenden Leistung allein den Begriff „Hornhautplastik“. Nach Sinn und systematischer Stellung dieses Begriffs erfasse Nr. 1345 GOÄ das Ziel einer funktionsbezogenen operativen Wiederherstellung oder Änderung der Hornhautform. Der BGH teilt nicht die Auffassung des Klägers, der Begriff der „Plastik“ erfasse ausschließlich „Resektion, Implantation und Transplantation“ – vielmehr zeige die Verwendung des Ausdrucks „z.B.“ vor dieser Aufzählung in dem klinischen Wörterbuch, dass dies nur eine beispielhafte Aufzählung sei.

Die Laserbehandlung sei dabei nur eine „besondere Ausführung“ einer Hornhautplastik. Sowohl der Schnitt mittels Femto-Laser als auch der manuell – chirurgische Schnitt zielten auf die operative Änderung der Hornhautform des Auges. Es sei letztlich unerheblich, ob dieses Ziel der operativen Änderung der Hornhaut im Sinne der Nr. 1345 GOÄ durch Einsatz eines Lasers oder durch Verwendung eines Skalpells erreicht werde. Deshalb sei nur die Zielleistung abrechenbar und diese Zielleistung sei die Hornhautplastik nach Nr. 1345 GOÄ, so der BGH.

Es sei auch nicht so, dass die Korrektur der Hornhautverkrümmung nur per Laser erfolgen könne, wie der Kläger meint.

Auch dass der Laser gegebenenfalls besser steuerbar sei als ein manuell-chirurgischer Schnitt mittels Skalpells, macht den Lasereinsatz nicht zu einer selbständigen Leistung, so der BGH. Denn Nr. 1345 GOÄ schreibe nicht vor, wie die Hornhautverkrümmung behandelt werden soll.

Es sei schließlich auch nicht erkennbar, dass die Versagung einer analogen Abrechnung der Nr. 5855 GOÄ den Gleichbehandlungsgrundsatz oder die ärztliche Berufsfreiheit verletze, so der BGH.

Praxisanmerkung:

Mit dieser Entscheidung führt der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zur nur ausnahmsweisen analogen Abrechenbarkeit von Nummer 5855 GOÄ fort, vergleiche BGH, 14. Oktober 2021, III ZR 350/20). Die aktuelle Entscheidung ist inhaltlich richtig.

 Der Bundesgerichtshof entschied 2021 einen seit Jahren schwelenden Streit um die eigenständige Erstattungsfähigkeit der Femtosekundenlaser-Operation mittels Nr. 5855 GOÄ analog zu Lasten der Augenärzte. Die sich daraus ergebende Rechtssicherheit für Patienten, Ärzte und private Krankenversicherungen ist zu begrüßen und war dringend notwendig. Denn rechnete der Augenarzt hier die Nr. 5855 GOÄ analog gegenüber den Patienten ab, so sah sich der Patient einer äußerst unangenehmen Situation ausgesetzt: Er war im Streit zwischen dem Augenarzt und seiner privaten Krankenversicherung über die Abrechenbarkeit dieser Ziffer gefangen. In der Regel hatte der Patient die Rechnung schon bezahlt und musste nun einer Erstattung durch seine Versicherung hinterherlaufen. Hatte der Patient noch nicht bezahlt, sah er sich den immer drängender werdenden Zahlungsaufforderung des Augenarztes, beziehungsweise seiner privaten Abrechnungsstelle ausgesetzt. 

Bedauerlicherweise klärten die Augenärzte ihre Patienten, die sie mittels Femtosekundenlaser operieren wollten, oftmals nicht vorab über den bekannten Streit über die analoge Abrechenbarkeit der 5855 GOÄ auf, obgleich sie dazu nach § 630 c Abs. 3 Satz 1 BGB verpflichtet sind. Den Patienten war dabei in der Regel nicht bekannt, dass sie in bestimmten Fällen die Bezahlung der streitigen GOÄ-Ziffer dann sogar verweigern können, weil der Arzt damit seine sogenannte wirtschaftliche Aufklärungspflicht verletzt hat.

In bestimmten Ausnahmefällen bleibt Nummer 5855 GOÄ analog abrechenbar, nämlich dann, wenn der Lasereinsatz in besonderer Weise medizinisch geboten ist, um die Behandlung durchzuführen. Denkbare medizinische Indikationen im Einzelfall für den Femto-Lasereinsatz sind:

  • verminderte Endothelzellenzahl (Landgericht Würzburg, Beschluss vom 22.12.2022 - 53 S 1296/22)
  • engere Platzverhältnisse am Auge z.B. bei asiatischen Patienten
  • subluxatio lentis (AG Bochums, Urteil vom 27.10.2022 - 47 C 31/20)
  • enge Lidspalte
  • tiefliegende Augen
  • reduzierte Vorderkammertiefe, deutlich reduziertes Kammervolumen, deutlich fortgeschrittener Katarakt, schlecht erweiterbare Pupille, erhebliches „floppy iris“ Syndrom (Verwaltungsgericht München, Urteil vom 8.12.2016 - M 17 K 16.483)

Um zeitraubende Streitigkeiten mit dem Patienten oder dessen privater Krankenversicherung schon im Ansatz zu vermeiden, sollte der Arzt diese besondere medizinische Indikation schon in der Rechnung erwähnen und anmerken, dass zum Beispiel die Laserbehandlung die verminderten Endothelzellen schont.

Aber auch wenn der Augenarzt all dies berücksichtigt, bleibt die Abrechnung der Nr. 5855 GOÄ ein Risiko.

Von Rechtsanwalt Philip Christmann, Fachanwalt für Medizinrecht, Berlin www.christmann-law.de




Verwendung von Cookies

Wir nutzen Cookies (auch von Drittanbietern), um Inhalte zu personalisieren und Surfverhalten zu analysieren. Mehr über Cookies