Leben ohne Lesebrille: Neue Linsen gegen Alterssichtigkeit

Sie sind nur 6 Millimeter klein, weniger als einen Millimeter dünn und aus glasklarem, gut verträglichem Acrylmaterial. Zwei neue Premiumlinsen könnten die Augenchirurgie nachhaltig beeinflussen. Es sind kleine Wunderwerke moderner Medizintechnologie mit großer Wirkung.

Katarakt-OP. Bild: DOC/Dr. Scharrer
Katarakt-OP. Bild: DOC/Dr. Scharrer

Wer wegen einer Katarakt operiert werden muss, hat heute mehr denn je die Chance, nicht nur die Sehkraft zurückzugewinnen, sondern künftig auch ein Leben ohne Brille zu führen. „Fast schon jeder dritte Patient in spezialisierten Augenzentren entscheidet sich mittlerweile anstelle einer einfachen Einstärkenlinse für eine moderne Premiumlinse, die sowohl das Lesen als auch ein scharfes Sehen in alle Entfernungen ermöglicht“, sagt Augenarzt und Kongresspräsident Dr. Armin Scharrer (Fürth) auf dem 37. Internationalen Kongress der Deutschen Augenchirurgen (DOC).

Linsentypen der nächsten Generation 

In diesem Jahr diskutierten Spezialisten aus der ganzen Welt auf dem DOC-Kongress u.a. über Erfahrungen und Ergebnisse zweier neuer Linsenmodelle, die in der Fachwelt tatsächlich als Fortschritt gelten. 

„Mit diesen beiden Linsentypen der nächsten Generation ist den Herstellern tatsächlich ein großer Wurf gelungen“, so Dr. Scharrer. „Es handelt sich dabei zum einen um eine völlig neue Spirallinse und zum anderen um eine gelungene Weiterentwicklung der seit einigen Jahren bereits beliebten EDOF-Linse.“

Bei der Katarakt-Operation – mit rund 1 Mio Eingriffen pro Jahr in Deutschland die häufigste OP der gesamten Medizin – können sich die Patienten für verschiedene Linsentypen entscheiden:

Monofokallinsen: Diese Standardlinsen ermöglichen scharfes Sehen in einer Entfernung – meist wird die Fernsicht optimiert. Für das Lesen oder Arbeiten am PC sowie in mittlere Entfernungen ist in der Regel weiterhin eine Brille nötig. Diese Einstärkenlinsen sind Kassenleistung.

Multifokallinsen: Diese Premiumlinsen verfügen über mehrere Brennpunkte und ermöglichen scharfes Sehen in der Nähe, Ferne und im Zwischenbereich. Allerdings kommt es oft zu störenden Begleiterscheinungen wie Lichtringe oder Blendung, besonders nachts.

EDOF-Linsen (Extended Depth of Focus, erweiterte Tiefenschärfe): Diese modernen Premiumlinsen erweitern die Tiefenschärfe stufenlos für ein durchgängiges, kontrastreiches Sehen von der Ferne bis in den mittleren Bereich und mit deutlich weniger störenden Lichtphänomenen. Zum Lesen ist jedoch weiterhin oft eine Lesebrille nötig.

„Zusätzlich zu diesem Angebot haben wir jetzt zwei sehr gute neue Alternativen“, berichtete Dr. Scharrer. „Seit etwa einem Jahr gibt es eine innovative EDOF-Linse der neuesten Generation mit stufenloser Änderung der Brechkraft, die speziell für die Korrektur der Altersweitsichtigkeit (Presbyopie) entwickelt wurde.“

Verbessertes Sehen im Nahbereich

Diese Linse bietet eine nahezu perfekte Sicht mit gutem Kontrast in die Ferne und mittlere Abstände sowie ein verbessertes Sehen im Nahbereich, auch bei wenig Licht. Zudem hat sie kaum noch störende Begleiteffekte wie Blendung, Ringe um Lichtquellen oder Lichtstreuungen, vor allem in der Dämmerung und nachts. Dr. Scharrer: „Diese neue EDOF-Linse kommt qualitativ einer Einstärkenlinse schon sehr nahe. Zusätzlich kann man jedoch auch im mittleren Sehbereich ausgezeichnet sehen, also etwa am PC oder am Smartphone.“

Nur für Kleingedrucktes beim Lesen in einem Abstand von weniger als etwa 40 Zentimeter kann eine Lesebrille erforderlich sein. Augenärzte haben jedoch festgestellt, dass fast 70 Prozent der Patienten mit dieser neuen EDOF-Linse im normalen Alltag auch ohne Lesebrille auskommen.

Innovative Spiraloptik dank KI

Die zweite interessante Neuentwicklung kann laut Dr. Scharrer strenggenommen weder als EDOF- noch als Multifokallinse bezeichnet werden, da es sich um einen ganz neuen Linsentyp handelt, der bestimmte Eigenschaften von EDOF- und Multifokallinsen kombiniert. „Aufgrund des völlig neuen Designs sprechen wir hier von einer Spirallinse“, erläutert der DOC-Präsident. „Es ist die weltweit erste dieser Art, sie wird seit letztem Herbst auch in Deutschland implantiert.“

Diese ungewöhnliche Bezeichnung kommt von der sogenannten Spiraloptik. Anstelle hauchfeiner und mit bloßem Auge kaum erkennbarer konzentrischer Kreise, wie sie bei vielen herkömmlichen Linsen für die Lichtbrechung üblich sind, ist bei dieser Speziallinse eine spiralförmige Optik in die Oberfläche eingearbeitet, die das einfallende Licht gleichmäßig verteilt. 

Diese Technologie, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz entwickelt wurde, ermöglicht fließende Übergänge zwischen Nah-, Mittel- und Fernsicht – ohne abrupte Wechsel oder störende Unschärfen.

Dr. Scharrer: „Die Patienten können ohne Brille Zeitunglesen, am Computer arbeiten oder den Blick in die Ferne schweifen lassen. Die Kunst-Linse in ihrem Auge wirkt dabei so ähnlich wie eine hochwertige Gleitsichtbrille. Die optischen Zonen gehen nahtlos ineinander über, sodass ein klarer Sehbereich in jeder Entfernung entsteht. Auch eine Lesebrille ist in den allermeisten Fällen nicht mehr nötig.“

Gesamtes einfallendes Licht wird genutzt

Weiterer Vorteil: Das gesamte einfallende Licht wird genutzt und geht nicht, wie bei vielen Multifokallinsen, zum Teil verloren. Die Patienten erleben eine hohe Sehschärfe, intensive Kontraste und deutlich weniger störende Nebeneffekte bei Dunkelheit als bei Multifokallinsen. Während herkömmliche Multifokallinsen oft Blendungen und störende Kreise um Straßenlaternen oder entgegenkommende Scheinwerfer verursachen, kann die Spirallinse diese Effekte deutlich reduzieren.

Dr. Scharrer: Beide Linsen sind eine gute Wahl für alle, die nach einer Operation des grauen Stars ohne Brille nicht nur schärfer, sondern auch komfortabler sehen und lesen wollen.“

Quelle: DOC

 

 




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