Gentherapie bei Retinitis pigmentosa: erste Erfolge an Hunden

US-Forscher von der University of Pennsylvania erzielen mit einer Gentherapie zur Behandlung bestimmter Formen von Retinitis pigmentosa erste Erfolge an Hunden. Es geht um die autosomal dominante Retinitis pigmentosa mit Mutation im Rhodopsin-Gen. Heutzutage sind über 250 Gene bekannt, die bei einer Mutation zu Netzhautdegenerationen führen.

Vor rund 30 Jahren wurde zum allerersten Mal
ein solches Gen identifiziert: das Gen für das Sehpigment Rhodopsin.
Mutationen in diesem Gen werden autosomal-dominant weitvererbt. Das bedeutet,
dass bereits ein mutiertes Gen zur Erkrankung führt, obwohl ein zweites
nicht-mutiertes Gen vorliegt. Darum kommen solche autosomal-dominante Formen
der Retinitis pigmentosa (ADRP) familiär gehäuft vor. Mittlerweile sind bis
zu 150 verschiedene Mutationen des Rhodopsin-Gens bekannt, was die
Entwicklung einer Gentherapie erschwert. Dennoch richtet sich die Therapie
der US-Forscher an alle Patienten mit einer ADRP und betroffenem
Rhodopsin-Gen, unabhängig von der Mutation.
Neuartiger Ansatz: Ausschalten und Ersetzen
Viele Mutationen führen zu einem Funktionsverlust. Das Besondere am
mutierten Rhodopsin-Gen ist, dass es zur Produktion eines Proteins führt,
welches nicht nur funktionsunfähig ist, sondern zusätzlich die
Stäbchen-Zellen der Netzhaut schädigt. Das sind die Photorezeptoren, die
für das Hell-Dunkel-Sehen von Bedeutung sind. Im Gegensatz zu anderen
Gentherapien reicht es also nicht aus, ein intaktes Gen einzuschleusen,
sondern es muss zunächst das mutierte Gen ausgeschaltet werden um die
Produktion des schädlichen Proteins zu verhindern.
Dazu wird sogenannte shRNA (small hairpin-RNA) eingesetzt. Dieses Molekül
deaktiviert das Gen unabhängig von der Art der Mutation, was den identischen
Einsatz bei allen ca. 150 bekannten Mutationen im Rhodopsin-Gen ermöglicht.
Allerdings wird auch die gesunde Genkopie von der shRNA erkannt und
ausgeschalten. Da Rhodopsin für die Stäbchen unverzichtbar ist, muss
zusätzlich ein neues und intaktes Rhodopsin-Gen in die Zelle eingeschleust
werden, das so verändert wurde, dass es gegenüber der shRNA resistent, also
geschützt, ist.
Ablauf und Erfolge der Gentherapie bei Hunden
Wie bei vielen anderen Gentherapien kommt auch hier ein verändertes Virus
zum Einsatz, das nicht mehr krankmachend wirkt und als Transportmittel die
shRNA und das neue Rhodopsin-Gen gleichzeitig in die Zellen schleust.
In der aktuellen Studie wurde das Virus unter die Netzhaut von Hunden
gespritzt, die an einer ADRP mit Mutation im Rhodospin-Gen litten. Wie
geplant, gelang es, die Produktion des schädlichen Rhodopsin-Proteins
mittels der shRNA zu verhindern und das resistente Rhodospin-Gen erreichte
fast 30% des normalen Leves.
Bei den behandelten Tieren konnte auf diese Weise das Fortschreiten der
Erkrankung aufgehalten werden: sie blieben gesund und behielten funktionelle
Stäbchen bei. Mittels eines Elektroretinogramms das die Funktion der
Stäbchen misst, konnte nachgewiesen werden, dass diese Lichtimpulse in
Nervensignale umsetzten. Auch bei Nachuntersuchungen 8 Monate später, war
die normale Struktur der Stäbchen erhalten geblieben.
Mögliche Anwendung beim Menschen
Da die Therapie auf eine Stelle im Rhodopsin-Gen abzielt, die bei Mensch und
Hund identisch ist und es sich bei dem eingeschleusten resistenten Rhodopsin
um ein humanes (also menschliches) Protein handelt, wäre eine Anwendung beim
Menschen prinzipiell möglich. Jedoch ist damit so bald noch nicht zu
rechnen: die Forscher möchten im Laufe der nächsten zwei Jahre weitere
präklinische Untersuchungen zur Sicherheit und Effektivität der Therapie
durchführen, bevor klinische Studien am Menschen gewagt werden können.
Trotzdem wecken die positiven Studienergebnisse Hoffnung, dass diese
Gentherapie eines Tages den Krankheitsverlauf bei bestimmten Patienten mit
Retinitis pigmentosa verlangsamen oder vielleicht sogar aufhalten könnte.
Quellen:
Abstract der Studie in den Proceedings of the National Academy of Sciences
[1]
Pressemitteilung des National Eye Institute [2]
Pressemitteilung der University of Pennsylvania [3]
aerzteblatt.de vom 21.08.2018 [4]



Links aus diesem Beitrag:
[1] http://www.pnas.org/content/early/2018/08/14/1805055115
[2]
https://nei.nih.gov/content/researchers-find-potential-new-gene-therapy-blinding-disease
[3]
https://penntoday.upenn.edu/news/knockdown-and-replace-gene-therapy-twofer-treat-blindness
[4]
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/97277/Gentherapie-koennte-autosomal-dominante-Retinitis-pigmentosa-lindern