Akanthamöben-Keratitis: EMA-Zulassungsempfehlung für Akantior

Im Mai hat die EMA 14 neue Zulassungsempfehlungen ausgesprochen. Neben einer Gentherapie bei Hämophilie B und dem EU-weit ersten Impfstoff, der vor Chikungunya schützt, erhielt auch Akantior (Polihexanid) ein positives Gutachten.

Acanthamoeba polyphaga. Janice Haney Carr, Catherine Armbruster; Margaret Williams, USCDCP / PIXNIO
Acanthamoeba polyphaga. Janice Haney Carr, Catherine Armbruster; Margaret Williams, USCDCP / PIXNIO

Akantior (Polihexanid) hat eine Zulassungsempfehlung für die Behandlung von Akanthamöben-Keratitis (AK) bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren erhalten. Die seltene Infektionskrankheit betrifft vor allem Kontaktlinsenträger.

Akanthamöben sind Einzeller, die bevorzugt in abgestandenem Wasser, kommen aber auch in Leitungswasser vorkommen. Nisten sich Akanthamöben in der Hornhaut ein, können sie eine schwerwiegende, hartnäckige Entzündung hervorrufen. Zu den Symptomen gehören Schmerzen, verminderte Sehkraft, Lichtempfindlichkeit und Tränenfluss. Besonders schwere Verläufe können eine Hornhauttransplantation, im schlimmsten Fall sogar eine Enukleation notwendig machen.

Polihexanid, der Wirkstoff von Akantior, zerstört sowohl die Zellmembran als auch die Chromosomen der Akanthamöben. Akantior wird als 0,8 mg/ml Augentropfenlösung erhältlich sein.

Polihexanid wurde bereits in den 1990er Jahren zur Behandlung von AK eingesetzt. Damals allerdings in einer wesentlich niedrigeren Dosierung von 0,02 %. Heute wird Polihexanid 0,02% zwar allgemein zur Behandlung von AK empfohlen, ist aber kein zugelassenes Medikament. 

Die randomisierte, kontrollierte klinische Phase-3-Doppelblindstudie ODAK folgte auf eine Phase-1-Studie an gesunden Freiwilligen, die zeigte, dass eine deutlich höhere Konzentration (0,08 %) von Polihexanid sicher in der Anwendung war. Die Zulassungsstudie wurde in Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Empfehlungen der Europäischen Arzneimittelagentur durchgeführt und verglich die Wirksamkeit und Sicherheit einer hohen Konzentration von 0,08 % als Monotherapie mit einer weit verbreiteten dualen Therapie, bei der eine niedrigere Dosis von 0,02 % mit Propamidin kombiniert wird. Alle Studien wurden von dem italienischen Pharmaunternehmen SIFI gesponsert und finanziert und teilweise von der Europäischen Kommission co-finanziert.

Im März 2024 wurden die Ergebnisse der Zulassungsstudie mit 135 Patienten in der Fachzeitschrift Ophthalmology veröffentlicht. Die Studie zeigte, dass 86,7 % der Patienten, die Akantior erhielten, geheilt wurden, wobei die mittlere Zeit bis zur Heilung 4,1 Monate betrug. Außerdem erreichten 66,7 % der behandelten Patienten eine vollständige Wiederherstellung der Sehkraft, und nur 7,5 % benötigten eine Hornhauttransplantation.

Nach der Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA, Akantior für die Behandlung von AK zuzulassen, wird die Europäische Kommission ihre endgültige Entscheidung über die Marktzulassung voraussichtlich Anfang August 2024 treffen. In der Zwischenzeit ist Akantior weiterhin über ein Vertriebsprogramm vor der Zulassung erhältlich, das bisher mehr als 180 Patienten in 12 europäischen Ländern den Zugang zur Behandlung ermöglicht hat.

Quellen: EMA  UCL  Avanzanite

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