„Erstklassiges Angebot zur Fort- und Weiterbildung“ – Ein Interview mit DOC-Präsident Dr. Armin Scharrer

Er gilt als einer der wichtigsten Kongresse für operierende Augenärzte. Und auch die 36. Ausgabe des DOC in Nürnberg bietet wieder ein ambitioniertes Programm. DOC-Präsident Dr. Armin Scharrer über neue Symposien, aktuelle Kontroversen und spannende Entwicklungen auf den Gebieten Refraktive Chirurgie und IOL.

©DOC/Dr. Armin Scharrer
©DOC/Dr. Armin Scharrer

Was sind die Schwerpunktthemen des diesjährigen DOC-Kongresses?

Schwerpunktthemen der DOC sind in diesem Jahr Innovationen und Trends im Bereich der Katarakt- und Refraktiven Chirurgie, bei Glaukom und Hornhaut, in der Lid- und Augenmuskelchirurgie sowie in dem großen Feld von Retina und Netzhaut-/Glaskörperchirurgie.

Wurden bestimmte Angebote des Kongresses dieses Jahr erweitert?

Aufgrund der großen Nachfrage wurde das Angebot an Wetlabs und Drylabs deutlich erweitert, ebenso wie bei den OP-Kursen und Masterclass-Kursen.
Neue Symposien sind dazugekommen, wie das Symposium „Innovations in Ophthalmology“, das Symposium „Nachhaltigkeit in der Augenchirurgie“, das Symposium „KI-Anwendungen in der Augenheilkunde“ und das Symposium „Berufspolitik“.

Was bietet die DOC speziell für den ophthalmologischen bzw. ophthalmochirurgischen Nachwuchs?

Neben den Hauptvorträgen (eingeladene Referenten) im großen Saal Tokio, die für alle wichtig und interessant sind, gibt es für Ärzte/Ärztinnen in Weiterbildung eine Fülle von spannenden Kursen und Wetlabs.
Die Kurse für Ärzte in Weiterbildung sind als KA-Kurse gekennzeichnet, die Wetlabs speziell für Ärzte in Weiterbildung als W-KA-Kurse ausgewiesen.

Warum lohnt sich die Reise nach Nürnberg auch für niedergelassene Augenärzte?

Für alle niedergelassenen Augenärzte lohnt sich die Reise nach Nürnberg ganz besonders. Sie müssen in ihrer Praxis ein breites Spektrum abbilden betreffend Diagnostik und Therapie der verschiedenen Augenerkrankungen. Neben den Hauptvorträgen im Saal Tokio und vielen Kursen ist für den niedergelassenen Augenarzt besonders interessant das Seminar für die Praxis des Augenarztes. Dieses Seminar findet Freitag von 12.00 Uhr bis 17.30 Uhr und am Samstag von 08.30 Uhr bis 14.00 Uhr statt – mit spannenden Themen und erstklassigen Referenten aus dem gesamten Gebiet der Augenheilkunde.

Den Veranstaltungen für das augenärztliche Assistenzpersonal (OAP) ist ein eigenes, knapp 50-seitiges Programmheft gewidmet. Was wird für das OAP geboten und warum ist für Sie dieser Teil des DOC-Programms so wichtig?

Die Leistung, die wir in unserer Praxis/Poliklinik oder im OP erbringen, ist niemals die Leistung eines Einzelnen, sondern immer eine Teamleistung.
Das augenärztliche Assistenzpersonal, unsere OP-Schwestern und -Pfleger, unsere MFAs tragen entscheidend zur Qualität unserer Leistungen bei. Ihnen ein erstklassiges Angebot zur Fort- und Weiterbildung zukommen zu lassen ist genauso wichtig, wie das Angebot für Ärztinnen und Ärzte. Dies war der Grund, warum wir als DOC von Beginn an großen Wert auf die Fort- und Weiterbildung für augenärztliches Assistenzpersonal gelegt haben.

Fachkräftemangel herrscht auch in der Augenheilkunde. Welche Strategien würden Sie empfehlen, um mehr junge Menschen für die Augenheilkunde zu begeistern – seien es Mediziner oder OAP?

Die Arbeitsbedingungen für Ärzte- und OAP-Personal im Angestelltenverhältnis haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Die Gehälter sind kontinuierlich gestiegen, es gibt mehr Urlaub und Freizeit und bessere Arbeitsbedingungen. Unser Beruf, Mitmenschen zu einem besseren Sehen zu verhelfen, ist ein Beruf, der nicht nur einen Zweck erfüllt, sondern auch einen echten Sinn hat. Was wir tagtäglich vollbringen, nämlich vielen Menschen dabei zu helfen, das Sehvermögen zu erhalten oder zu verbessern, ist wichtig und gleichzeitig auch zufriedenstellend für den Leistungserbringer, sodass wir diese Überzeugung auch an junge Menschen vermitteln können.

Veranstaltungen wie die „Pro & Contra-Diskussionen“ und „Aktuelle Kontroversen“ prägen das Profil des Kongresses. Bei welchen Themen besteht dieses Jahr besonderer Diskussionsbedarf?

Es gibt viele aktuelle Themen, die in den Pro & Contra – Sitzungen kontrovers diskutiert werden. 
Beim Glaukom: „Therapiestrategien beim PEX-Glaukom: die kombinierte Katarakt-Glaukom-OP als erste Option gegen Trabekulektomie als erste OP“.
Bei der Katarakt gibt es zwei wichtige Kontroversen: „Ist Makula-OCT vor Kataraktoperation routinemäßig notwendig?“ und „Femtolaser-Katarakt-Operation vs. konventionelle Phako mit HKL – was ist besser?“
In der Hornhautchirurgie wird kontrovers diskutiert „DALK vs. KPL: ist die DALK bei dem großen Aufwand noch induziert?“ und in der refraktiven Chirurgie „Monovision vs. trifokale IOL“, sowie in der NHGK-Chirurgie: „Die kombinierte Phako-Vitrektomie (simultane Cat.-OP mit PPV) als Routine oder nur in selektierten Fällen?“

Für alle, die nicht nach Nürnberg kommen können: Welche Veranstaltungen kann man auch online besuchen? 

Alle Veranstaltungen, die im großen Saal Tokio stattfinden, können online besucht werden. Dies betrifft gleichermaßen alle Hauptvorträge an den 3 Tagen Donnerstag, Freitag und Samstag, inkl. der Ehrenvorlesungen, Keynote Lectures, Preisverleihungen und der Aufnahme in die Hall of Fame Ophthalmologie Deutschland.

Welche praxisrelevanten Innovationen und Entwicklungen gibt es auf dem Gebiet der Refraktiven Chirurgie?

Im Bereich der refraktiven Linsenchirurgie gewinnt die Femtolaser-Kataraktoperation kontinuierlich an Bedeutung. Auch wenn beide Verfahren, d.h. die Standard-Kataraktoperation (Phakoemulsifikation) und die Femtolaser-Kataraktoperation, in der Hand des gut ausgebildeten, erfahrenen Augenchirurgen gleichermaßen hervorragende Ergebnisse liefern, gibt es im Einzelfall in bestimmten Situationen auch Vorteile bei der Femtolaser-Kataraktoperation. Ein Vorteil der Femto-Phako ist generell, dass bei Geräten mit Apexzentrierung eine gleichmäßige Überlappung des Optikrandes durch das vordere Kapselblatt garantiert wird. Das bringt Vorteile bei der Verhinderung der Nachstarbildung, wie auch bei der perfekten Zentrierung und verhindert eine mögliche Verkippung der IOL. 

Was sind für Sie die aktuell wichtigsten Tendenzen speziell auf dem Gebiet der IOL? 

Es werden aktuell von mehreren renommierten Firmen sehr gute Intraokularlinsen für den Intermediärbereich entwickelt, die dem Patienten neben sehr gutem Sehen in der Ferne auch einen vernünftigen Intermediärvisus ermöglichen. 
Zum anderen finden Mix&Match-Verfahren zunehmend eine größere Verbreitung. Für den Patienten, der auf erstklassiges, störungsfreies Sehen in der Ferne großen Wert legt, ist die Kombination von einer asphärischen Monofokallinse für das dominante Auge und einer EDOF-Linse für das Partnerauge, mit einer geringgradigen myopischen Zielrefraktion  – zwischen -0,25 und -0,5 sph – eine ausgezeichnete Lösung. 
Für den Patienten, der vordringlich komplette Brillenunabhängigkeit möchte, ist die Kombination einer EDOF-Linse für das Führungsauge und einer Trifokallinse für das Partnerauge eine gute Lösung. 

Welche Entwicklungen in der Ophthalmochirurgie finden Sie derzeit besonders spannend?

Hochaktuell sind alle Themen, die sich mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Augenheilkunde befassen. 
Im Symposium KI-Anwendungen in der Augenheilkunde wird im Rahmen einer Keynote Lecture Frau Prof. Dr. Franziska Mathis-Ulrich zum Thema „KI in der Medizin - was darf sie und was nicht“ sprechen. 
Weitere Themen sind „KI in der OCT Beurteilung“ (U. Kellner), „KI bei AMD“ (P. Mussinghoff), „KI-Anwendung bei diabetischer Retinopathie“ (A. Stahl), „KI-Anwendung bei der IOL-Kalkulation“ von (A. Langenbucher), „KI-Anwendung beim Glaukom“ (Ch. Mardin) und „AI based diagnostics in general ophthalmology“ (M. Assouline, Paris).

Und welche Entwicklungen auf Seiten der Wissenschaft?

Besonders spannend, aber auch gleichzeitig bedrohlich empfinde ich die Entwicklung bei autonomen KI-Systemen. In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Science“ schreiben angesehene Experten: „Ohne ausreichende Vorsicht könnten wir unwiederbringlich die Kontrolle über autonome KI-Systeme verlieren“. Mögliche KI-Risiken seien Cyber-Attacken in großem Maßstab, gesellschaftliche Manipulation, allgegenwärtige Überwachung und sogar die „Auslöschung der Menschheit“. 

Herzlichen Dank für das Interview!

36. Internationaler Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgie (DOC)

20.-22. Juni 2024, Nürnberg 

 

mit digitalem Teil