Femtosekundenlaser: Abrechnung zum 7,0-fachen Steigerungsfaktor zulässig?

Kann die Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers im Rahmen einer Kataraktoperation (oder einer Clear-Lens-Extraktion) gebührenrechtlich zulässig sein, wenn die Abrechnung der Nr. 1375 (analog) GOÄ aufgrund einer Honorarvereinbarung nach § 2 GOÄ mit zum Beispiel einem Steigerungssatz zum 7,0-fachen Satz präoperativ und schriftlich mit dem Patienten vereinbart worden ist?

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Der Fall: Der Kläger war an beiden Augen an einem Grauen Star erkrankt und ließ sich beginnend mit dem 21.09.2022, untersuchen, beraten und an beiden Augen operieren. Dabei gelangte -wie von vornherein besprochen- der Femtosekundenlaser zur Anwendung, dessen Einsatz im ärztlichen Honorar zum 7,0-fachen Steigerungsfaktor berechnet wurde, also mit jeweils 1.428,00 EUR. Die private Krankenversicherung versagte mangels tariflicher Absicherung eine Erstattung oberhalb von 3,5-fach und meinte ausschließlich Nr. 441 GOÄ stelle eine gültige Abrechnung dar und berief sich hierfür auf die Urteile des BGH vom 14.10.2021 (III ZR 350/20). Der Augenchirurg hielt seine Abrechnung weder für gesetzeswidrig noch für einen Verstoß gegen Treu und Glauben (sog. Wucherverbot) und berief sich auf die Abrechnungsempfehlung des Bundesverbandes der Augenchirurgen. In der Leistungsabrechnung begründete er die Steigerung (wohl im Hinblick auf § 12 Abs. 3 Satz 3 GOÄ) mit „schwierigen anatomischen Verhältnissen“. Der vor dem Gericht persönlich angehörte Patient hielt sich nicht für ausreichend informiert, dass die Behandlungskosten nicht vollständig von seiner Krankenversicherung übernommen werden könnten.

Das Amtsgericht hatte erkannt, dass § 2 Abs. 3 GOÄ dem Abschluss einer Honorarvereinbarung für den Lasereinsatz nicht entgegenstand, wenn die Abrechnung des Lasers -anders als in den diversen refraktiven Behandlungsansätzen- nicht nach Nr. 5855a GOÄ erfolgt, sondern nach 1375 GOÄ. Zutreffend bestätigte das Gericht, dass ein Vordruck hatte verwendet werden können, weil der Arzt das Gespräch selbst und persönlich mit dem Pateinten geführt hatte und dies auch dokumentiert worden war. Angesichts der modernen Technologie sei auch das Überschreiten des Regelgebührensatzes um das Doppelte nicht zu beanstanden, das Gericht ließ das Schweigen des Verordnungsgebers zur Abrechnung der modernen Lasertechnologie und seine Untätigkeit im Hinblick auf die Punktwerte der GOÄ immerhin als Argument gelten, dass die Grenze zum Wucher noch nicht erreicht sei, die Vereinbarung also wirksam sei. Auch sei nicht davon auszugehen, dass der „Bundesverband der Augenchirurgen“ (wie es in dem Urteil heißt), eine wucherische Rechnung und damit eine gesetzeswidrige Abrechnungsgestaltung befürworte. Schließlich hielt das Gericht dem langjährigen Privatpatienten („Ich bin seit 50 Jahren privat krankenversichert. Ich habe noch nie Probleme bei den Abrechnungen mit der Krankenversicherung gehabt.“) entgegen, dass selbstverständlich unter den Begriff der Erstattungsstellen auch private Krankenversicherungen fallen und er angesichts des von ihm gewählten Tarifs ohne weiteres erkennen konnte, dass er die Hälfte des auf diese Ziffer entfallenden Honorars von ihm selbst zu tragen sei.

Fazit: Der Entscheidung ist zuzustimmen, denn der privat versicherte Verbraucher ist gegenüber dem Leistungserbringer in der Abrechnung nicht weiter schutzwürdig, wenn er nach einem Arztgespräch seine Unterschrift unter einen Honorarvordruck setzt. Ob die gewählte Abrechnung letztlich eine unzulässige Umgehung der Aussagen der o.g. BGH-Urteile darstellt, brauchte von dem Gericht nicht beantwortet zu werden, da jedenfalls beidseits auch eine Zonulaschwäche gegeben war, was als eine eigenständige medizinische Indikation des Lasereinsatzes diskutiert wird im Hinblick auf die dann mögliche Abrechnung der Nr. 5855a GOÄ (so auch für die reduzierte Endothelzellzahl: LG Würzburg, Beschl. v. 22.12.2022, 53 S 1296/22). Die Sachkosten der Femtolaseranwendung waren als tatsächlich und nachweislich angefallene Auslagen von der privaten Krankenversicherung zu tragen gewesen und wären es auch, wenn die Vereinbarung als unwirksam eingestuft worden wäre und eine eigenständige medizinische Indikation nicht gegeben wäre.

Praxisanmerkung: Nach dieser amtsgerichtlichen Entscheidung ist gegen die geschilderte Honorarvereinbarung nichts einzuwenden, so dass eine entsprechende Vergütung für den Lasereinsatz auf diesem Weg erzielbar sein dürfte. Diese Vertragsgestaltung kann freilich dazu führen, dass ein Patient einen Erstattungsausfall erleidet, wenn bei ihm eine eigenständige medizinische Indikation objektiv gegeben ist und er deshalb einen validen Erstattungsanspruch gegen seine private Krankenversicherung im Hinblick auf die Erstattung der Nr. 5855a GOÄ besäße, aber nicht geltend machen kann, weil sein Behandler sich -seinem Berufsverband folgend- für den Weg der siebenfachen Steigerung  der Nr. 1375  GOÄ entschieden hat, wofür regelmäßig eine tarifliche Absicherung nicht besteht. Ob eine Wuchertendenz zu verneinen bleiben wird, wenn man dem Lasereinsatz im Rahmen der Katarakt-OP mit dem vorläufigen HTA-Bericht vom 11.01.2024 (www.iqwig.de/download/ht22-04_operation-mit-dem-femtosekundenlaser-bei-grauem-star_vorlaeufiger-hta-bericht_v1-0.pdf) einen medizinischen Nutzen überhaupt abspricht, bleibt abzuwarten. Die zeitlich nach den BGH-Urteilen ergangene Judikatur zur eigenständigen medizinischen Indikation spricht natürlich dagegen.

Die Entscheidung: Der Patient wurde zur vollständigen Bezahlung der Rechnungen des Augenchirurgen verurteilt, namentlich zur Zahlung von 1.428 EUR je Auge für die Femtosekundenlaser-gestützte Kataraktoperation nach Nr. 1375 GOÄ.

Amtsgericht Aschaffenburg, 112 C 360/23, rechtskräftig

Korrespondierende GOÄ-Ziffern: Nr. 1375 GOÄ, § 2 GOÄ

Rechtliche Aufbereitung
Rechtsanwalt Rüdiger Gedigk, Fachanwalt für Medizinrecht