Neue Studie: Pflanzenwirkstoff fördert Regeneration des Sehnervs

Forschende der Uniklinik Köln haben herausgefunden, dass ein Arzneistoff aus dem Mutterkraut die axonale Regeneration deutlich steigern kann – auch bei kultivierten menschlichen Nervenzellen.

Mutterkraut (Tanacetum parthenium), Botanischer Garten Mainz. Bild: Natalie Schmalz
Mutterkraut (Tanacetum parthenium), Botanischer Garten Mainz. Bild: Natalie Schmalz

Schädigungen des Gehirns, Rückenmarks oder Sehnervs führen in der Regel zu lebenslangen, irreparablen Schäden. Bis heute sind Heilungen nicht möglich, da die durchtrennten Nervenfasern normalerweise nicht nach wachsen. Kölner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Dietmar Fischer, Direktor des Zentrums für Pharmakologie an der Uniklinik Köln, erforschen neue Ansätze zur Förderung der Nervenfaserregeneration, um so die Voraussetzungen für eine Genesung zu schaffen.Neue Studie zur Regeneration des geschädigten zentralen Nervensystems durch Arzneistoff aus dem Mutterkraut. Ihre Studie wurde jetzt in Neuroscience veröffentlicht. 

Regenerationsprogramm in geschädigten Nervenzellen 

In einer vorangegangenen Arbeit konnten sie weltweit erstmals zeigen, dass durch die Anwendung eines sogenannten Designer-Zytokins mit dem Namen Hyper-Interleukin-6 (hIL-6) Nervenfasern im vollständig verletzten Sehnerv und Rückenmark von Mäusen über deutliche Strecken nachwachsen können. Zuvor komplett querschnittsgelähmte Mäuse konnten dadurch einige Wochen nach der Behandlung wieder laufen. Denn hIL-6 aktiviert ein Regenerationsprogramm in geschädigten Nervenzellen und ermöglicht so das Faserwachstum.

In ihrer jetzt veröffentlichten Arbeit fanden die Forschenden heraus, dass hIL-6 in den Nervenzellen neben den regenerationsfördernden Prozessen auch einen hemmenden Effekt ausübt, der somit das volle Potenzial der Behandlung limitiert. Dieser beruht darauf, dass hIL-6 die dynamischen Prozesse in den Faserspitzen reduziert, wodurch die mögliche Wachstumsgeschwindigkeit herabgesetzt wird.

Parthenolid fördert die Regeneration im verletzten Sehnerv

Die Wissenschaftler verwendeten einen Inhaltsstoff aus dem Mutterkraut mit dem Namen Parthenolid, der gezielt die dynamischen Prozesse in den Faserspitzen anregt und konnten damit erstmals zeigen, dass dadurch die axonale Regeneration deutlich gesteigert werden konnte. Damit wurde nicht nur die Wirkung von hIL-6 deutlich verbessert, sondern die tägliche Gabe von Parthenolid alleine zeigte bereits einen leichten Effekt auf die Regeneration im verletzten Sehnerv und das Rückenmark. „Damit ist Parthenolid offenbar der erste systemisch anwendbare Wirkstoff, der eine Funktionsverbesserung nach einer kompletten Rückenmarksverletzung möglich macht“, sagt Prof. Fischer.

Dass dieses Prinzip auch für den Menschen relevant ist, zeigten die Wissenschaftler weltweit erstmals an echten, kultivierten menschlichen Nervenzellen, die aus gespendeten Augen gewonnen wurden. „Wir haben diesen Wirkstoff bisher nur bei sehr schweren Verletzung im Sehnerv und Rückenmark getestet, in denen bisher kaum eine relevante funktionelle Verbesserung erreicht werden konnte. Es ist aber wahrscheinlich, dass Parthenolid die Regeneration auch nach leichteren Verletzungen verbessert“, sagt der Pharmakologe. Er ergänzt: „Dass wir die Wirkung von Parthenolid auch an menschlichen Neuronen nachweisen konnten, ist natürlich besonders erfreulich und vielversprechend“. 

Die Forschenden konnten auch zeigen, dass Parthenolid in den verwendeten Dosen zu keinen messbaren unerwünschten Nebenwirkungen führten. Trotz dieser äußerst vielversprechenden Ergebnisse ist eine schnelle Anwendung oder Testung am Menschen noch nicht möglich und bedarf zuvor noch weiterer klinischer Untersuchungen.

Quelle: Uniklinik Köln

Originalarbeit: Inhibition of microtubule detyrosination by parthenolide facilitates functional CNS axon regeneration, Marco Leibinger, Charlotte Zeitler, Miriam Paulat, Philipp Gobrecht, Alexander Hilla, Anastasia Andreadaki, Rainer Guthoff, Dietmar