Verjährung: Mahnbescheide müssen präzise ausgefüllt werden!

Wenn ein Patient seine Rechnung nicht innerhalb der darin genannten Frist beglichen hat, reicht es aus, wenn ihm eine Mahnung mit einer Frist von in der Regel zwei Wochen zugesandt wird. Verstreicht auch diese Zahlungsfrist, muss nicht erneut gemahnt werden, da automatisch der Verzug beginnt und sofort das Gericht eingeschaltet werden kann.

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Dies geschieht am einfachsten durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids. Dieser Antrag muss allerdings bestimmte formale Anforderungen erfüllen, an die sich Ärztinnen und Ärzte leider nicht immer halten. Mit der Folge, dass der Mahnbescheid die Verjährung der Rechnung (drei Jahre) nicht hemmt und Sie leer ausgehen.

Hintergrund

Die für ärztliche Honorarforderungen maßgebliche Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB „mit dem Schluss des Jahres, in dem erstens der Anspruch entstanden ist und zweitens der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste“. Ein Zahlungsanspruch entsteht, wenn er fällig ist. Gemäß § 12 GOÄ ist dies erst mit ordnungsgemäßer Rechnungserteilung der Fall.

Nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wird die Verjährung eines Zahlungsanspruchs durch die Zustellung (also weder durch den Antrag noch den Erlass) des Mahnbescheids im gerichtlichen Mahnverfahren gehemmt. Die Zustellung muss also vor Eintritt der Verjährungsfrist erfolgen. Außerdem muss der geltend gemachte Anspruch hinreichend bestimmt bezeichnet sein. Das ist schon vor dem Hintergrund der wenig flexiblen Ausgestaltung der Eintragungsmöglichkeiten im gerichtlichen Mahnverfahren und der vorgesehenen Klassifizierung der Ansprüche problematisch. Das Risiko einer unzureichenden und/oder unbestimmten Bezeichnung des Anspruchs liegt beim Gläubiger.

BGH erlaubt Nachholen der Individualisierung

Mit seinem Urteil vom 14.07.2022 eröffnet der Bundesgerichtshof (BGH) nun die Möglichkeit, die Individualisierung des Anspruchs ‒ unter bestimmten Bedingungen ‒ nachzuholen (Az. VII ZR 255/21).

Im verhandelten Fall berief sich die Beklagte auf Verjährung einer Forderung, weil der im Mahnbescheid genannte Anspruch nicht zugeordnet werden könne, obwohl die Klägerin unmittelbar gegenüber der Beklagten ihre Angaben im Mahnbescheid ergänzte.

Hier ist der BGH der Auffassung, dass der Anspruch der Klägerin auf Zahlung nicht verjährt ist: Die Individualisierung des im Mahnverfahren geltend gemachten Anspruchs sei durch die E-Mail in unverjährter Zeit erfolgt. Für die Individualisierung der Forderung im Mahnbescheid sei ausschließlich auf den Erkenntnishorizont des Schuldners abzustellen.

Für die Praxis ist dabei wichtig, dass die im Mahnbescheid nicht hinreichende Individualisierung des Anspruchs nachgeholt werden kann. Die Nachholung der Individualisierung hemmt die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwar dann nicht rückwirkend, aber ab dem Zeitpunkt ihrer Vornahme: War zu diesem Zeitpunkt der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Anspruch noch nicht verjährt, wird mit der Nachholung der Individualisierung während des Mahnverfahrens die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt.

Für die nachträgliche Individualisierung des Anspruchs im Mahnverfahren ist deshalb ebenso wie für die Individualisierung im Mahnbescheid ausschließlich auf den Erkenntnishorizont des Schuldners abzustellen. Dementsprechend ist es ohne Bedeutung, ob die Individualisierung des Anspruchs durch an das Gericht gerichteten Schriftsatz oder außerhalb des Gerichtsverfahrens erfolgt.

Relevanz für Praxis

Es kommt regelmäßig vor, dass Ärztinnen und Ärzte bei der Beantragung eines Mahnbescheids gegen § 690 Abs. 1 Nr. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) verstoßen. Danach muss der Anspruch „unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung“ bezeichnet werden. Dies interpretiert der BGH so, dass der Schuldner, also der Patient, aufgrund der Bezeichnung der erbrachten Leistung erkennen können muss, woraus der Gläubiger, also der Arzt, seinen Anspruch überhaupt herleitet.

Es genügt also nicht, wenn Sie in den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids lediglich die verlangte Summe eintragen. In der Regel reicht es auch nicht aus, nur „aus der Behandlung“ zu schreiben. Vielmehr muss die konkrete Rechnung, die der Patient nicht bezahlt hat, exakt bezeichnet werden, und zwar mit Rechnungsnummer und -datum. Ohne diese Individualisierung hemmt der Mahnbescheid die Verjährung nicht.

Mit der geschilderten Entscheidung hat der BGH zwar Ihnen als Gläubiger etwas geholfen, weil die geforderte Individualisierung auch nachgeholt werden kann, mit einer Nachricht an den Schuldner. Aber besser ist es, wenn Sie den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids sofort richtig ausfüllen.

Merke: Die auf den Zeitpunkt der Nachholung ausgerichtete Individualisierung hilft dann nichts, wenn zu diesem Zeitpunkt die Verjährung schon eingetreten ist. Insoweit ist es für die Praxis ratsam, bei verjährungshemmenden Mahnbescheiden einerseits ein besonderes Augenmerk auf die bestimmte Bezeichnung des Anspruchs zu legen, andererseits aber die Beantragung auch nicht bis zum letztmöglichen Tag zu strecken.