Augenerkrankungen schneller erkennen, ärztliches Personal entlasten: Augenheilkunde profitiert von Künstlicher Intelligenz

Die Stiftung Auge informiert über den aktuellen Stand der KI-Anwendungen in der Augenheilkunde und mögliche zukünftige Anwendungsbereiche.

markus spiske / unsplash
markus spiske / unsplash

Künstliche Intelligenz zur Bildauswertung des Augenhintergrundes kann den Praxisalltag von Augenärztinnen und -ärzten erleichtern. Befundungen sind effizienter und die Behandlung kann schneller beginnen. 

Allerdings gibt es in der praktischen Umsetzung oft noch kleine Stolpersteine: So ist zum einen weiterhin die Expertise des ärztlichen Personals gefragt, da KI etwa bei Augentrübungen, die die Bildqualität einschränken, noch häufig Fehlbefunde liefert. Zum anderen ist die bislang fehlende Abrechnungsmöglichkeit durch die Krankenkassen eine praktische Hürde zur Entlastung im Praxisalltag. 

„Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird in der Augenheilkunde schon seit längerem als Möglichkeit gehandelt, den Ärzte- und Fachkräftemangel sowie die steigende Zahl an Augenerkrankungen abzufedern“, erklärt Dr. med. Peter Heinz, Facharzt für Augenheilkunde und Vorstandsmitglied der Stiftung Auge. Aktuell bietet sich vor allem die Verknüpfung von Künstlicher Intelligenz (KI) mit bildgebenden Verfahren wie der digitalen Fotografie, der Optischen Kohärenztomografie (OCT) oder der Heidelberger Retina-Tomographie (HRT) an. Eine KI kann deren Aufnahmen mithilfe eines Algorithmus auswerten und einen ersten Befund stellen. „Durch diese Arbeitserleichterung können die Ärztinnen und Ärzte schneller und effizienter zur Behandlung übergehen. Mithilfe eines Vergleichs mit Vorbefunden durch die KI lässt sich die Therapie außerdem exakter abstimmen“, sagt Heinz. Das ärztliche Personal muss den Befund der KI also nur noch überprüfen, anstatt ihn selbst zu erstellen.

KI als sinnvolle Ergänzung, nicht als Ersatz

Dass diese Überprüfung in der Praxis auch noch häufig notwendig ist, zeigen verschiedene Studien. So heißt es etwa in einer 2022 erschienenen Publikation zum KI-Screening auf diabetische Retinopathie, dass bei etwa 40 Prozent der Aufnahmen aufgrund mangelhafter Qualität keine Auswertung getroffen werden konnte oder diese Auswertung falsch war.1 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch die fotografischen Reihenuntersuchungen von Menschen mit Diabetes durch den britischen National Health Service.2 Dies ist besonders bei älteren Patientinnen und Patienten der Fall, da hier altersbedingte Oberflächenveränderungen und Linsentrübungen die Bildqualität beeinträchtigen. „In der Arztpraxis erweitern wir die Pupillen allerdings medikamentös, sodass man bessere Aufnahmen anfertigen kann“, so Heinz.

Ein weiteres Problem ist aktuell laut Heinz auch noch die Spezialisierung der KI auf ein bestimmtes Krankheitsbild. So würde eine auf diabetische Retinopathie ausgerichtete KI etwa andere Augenerkrankungen wie Tumore, Bluthochdruckveränderungen oder Sehnerv-Erkrankungen übersehen. „Die KI kann den geschulten ärztlichen Blick hier also unterstützen und erweitern, aber keinesfalls ersetzen“, erklärt der Schlüsselfelder Augenexperte.

Krankenkassen bezahlen noch nicht

Auch wenn die KI den augenärztlichen Praxisalltag bereits effizienter gestalten könnte, gibt es oft keine Möglichkeiten diesen Einsatz abzurechnen. In der Gebührenordnung für die gesetzlich Krankenversicherten gibt es derzeit noch keine Abrechnungsgrundlagen für ein digitales Foto des Augenhintergrundes oder der vorderen Augenabschnitte. Auch der Einsatz von OCT ist nur für wenige Indikationen vorgesehen. Dies erschwert den zeitnahen Einsatz sinnvoller KI-Verfahren in der Regelversorgung.

Dennoch ist Heinz vom Einsatz der KI-Verfahren in der Augenheilkunde überzeugt: „Die Anwendung durch Experten ist sinnvoll und wird nach Anpassen der Gebührenordnung in den Augenarztpraxen Einzug halten.“

Quellen:
1 Die Ophthalmologie, Einsatz von künstlicher Intelligenz im Screening auf diabetische Retinopathie an einer diabetologischen Schwerpunktklinik, 01.2022.
2National Health Service, Diabetic eye screening (DES) programme