High-Tech-Brille statt Blindenhund

Gerade wurde die Technologie für „die Brille, die den Blindenhund ersetzt“ in den USA patentiert. Das Patent der Europäischen Union wird folgen – und dann könnte die ".lumen-Brille" im Laufe des nächsten Jahres auf den Markt kommen. Blinden und Sehbehinderten soll sie ein selbst bestimmteres Leben ermöglichen.

Cornel Amariei, Gründer des Start-ups .lumen. Bild: Oana Graur
Cornel Amariei, Gründer des Start-ups .lumen. Bild: Oana Graur

Cornel Amariei, Absolvent der Bremer Constructor University und Gründer des Start-ups .lumen, ist überzeugt, dass die High-Tech-Brille Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung ein ganz neues Maß an Mobilität und Selbstbestimmtheit ermöglicht.

Die Technik der „.lumen-Brille“ ähnelt der des autonomen Autofahrens: Ein Set von 5 Kameras erfasst die Umgebung, Computerchips berechnen den gewünschten Weg, die Informationen werden über haptische Signale und Töne an die Träger:innen weitergegeben. Während ein Blindenhund über die Hand die Bewegung des Menschen steuert, erfolgt dies bei der Brille über Impulse des Headsets. „Was diese Technik in Kombination mit Neurowissenschaft ermöglicht, ist einfach unglaublich“, schwärmt Amariei, der Beeinträchtigungen aus der eigenen Familie kennt.

Den Europäischen Innovation Council der Europäischen Union hat die Brille überzeugt. Er förderte „.lumen“ mit 9,3 Millionen Euro – das Start-up erhielt als erstes rumänisches Unternehmen überhaupt eine derartige Förderung. Cornel wuchs in Bukarest, Rumänien, auf. Mit drei Jahren konnte er lesen und mit sieben Jahren programmieren. Noch zu Schulzeiten gründete er den ersten Robotik-Club des Landes sowie zwei Unternehmen.

Zum Studium der Elektrotechnik und Informatik zog es ihn nach Bremen an die Constructor University, die damals noch Jacobs University hieß. Auf dem Gründerwettbewerb der internationalen Universität 2014 stellte er die Idee erstmals vor. Die Jury war angetan, sein Team gewann. Auch in seiner Bachelor-Arbeit beschäftigte er sich mit der Frage, wie sehbehinderte Menschen einen bildhaften Eindruck von ihrer Umgebung erlangen können.

Nicht zuletzt aufgrund von „.lumen“ setzte ihn das US-Wirtschaftsmagazin Forbes 2016 auf die Liste der 30 einflussreichsten jungen Menschen unter 30 in Europa. Weitere Auszeichnungen wie die Aufnahme in die „Global Business Hall of Fame“ und die Anerkennung als eine der „Ten Outstanding Young Persons of the World“ durch die „Junior Chamber International“ folgten.

Nach dem Studienabschluss arbeitete Cornel zunächst als leitender Ingenieur für den Automobilzulieferer Continental und stieg dort schnell zum „Head Of Innovation“ auf. Doch „.lumen“ ließ ihn nicht los. 2020 gründete der 29-Jährige das Start-up, auch weil die Technologie inzwischen so weit fortgeschritten war, dass die Brille nur noch wenige hundert Gramm wiegt. Inzwischen zählt „.lumen“ mehr als 40 Mitarbeitende. 2021 wurde die Brille mit dem renommierten Designpreis Red Dot Luminary Award ausgezeichnet.

Prototyp der.lumen-Brille. Bild: .lumen

Rund 5.000 Euro wird die Brille kosten, die zunächst in ausgewählten Ländern Europas und in den USA erhältlich sein soll. „Wir möchten erreichen, dass die Betroffenen sie möglichst kostenfrei oder zu geringen Kosten bekommen. Das hängt von den Unterstützungssystemen der einzelnen Länder ab“, sagt Cornel.

In einem späteren Schritt soll „.lumen“ auch global angeboten werden. Anders als Blindenhunde ist die Technik skalierbar. Je schneller sich die Technologie weiterentwickelt und je mehr Exemplare der Brille produziert werden, desto günstiger wird sie werden, ist Cornel überzeugt. „Wir wollen möglichst vielen helfen“, beschreibt er das Ziel.

Quelle: Constructor University