Erstes Primatenmodell für das Usher-Syndrom

Forschende der Oregon Health & Science University haben das erste nicht-menschliche Primatenmodell für das Usher-Syndrom etabliert. Jetzt kann das Team eine Gentherapie testen, die betroffenen Kindern möglicherweise hilft, ihr Sehvermögen zu erhalten.

Rhesusaffe. Bild: Galta Ji / Unsplash
Rhesusaffe. Bild: Galta Ji / Unsplash

Menschen mit Usher-Syndrom werden häufig taub geboren, haben Gleichgewichtsstörungen und leiden aufgrund einer Retinopathia pigmentosa an einer progredienten Degeneration der Netzhaut. Die Entwicklung einer Therapie für die genetisch bedingte Erkrankung, von der schätzungsweise 4 bis 17 von 100.000 Menschen betroffen sind, scheiterte bislang auch daran, dass es kein Tiermodell gibt, das die Auswirkungen der Krankheit auf den Menschen genau nachahmt.

Ein Forschungsteam der Oregon Health & Science University (OHSU) hat jetzt ein Tiermodell für das Syndrom etabliert –ein vor einem Jahr geborener Rhesusaffe, der Symptome der gravierendsten Form des Usher-Syndroms – Typ 1B – aufweist. Das Team stellte die Ergebnisse seiner Forschungen vor kurzem auf einer Tagung der Association for Research in Otolaryngology vor. Die Forschenden verwendeten die Gen-Editing-Technologie CRISPR/Cas9, um das Modell zu etablieren. An ihm sollen experimentelle Gentherapien für das Usher-Syndrom getestet werden.

„Kinder mit Usher 1B werden zwar taub geboren, aber Cochlea-Implantate können ihnen ein gutes Hörvermögen ermöglichen – vor allem, wenn sie früh genug implantiert werden“, sagte die Leiterin des Forschungsteams, Martha Neuringer, Ph.D., Professorin für Neurowissenschaften im Oregon National Primate Research Center der OHSU und außerordentliche Professorin für Augenheilkunde an der OHSU School of Medicine. „Derzeit gibt es jedoch keine Behandlung, die den stetig zunehmenden Sehverlust bei Kindern mit Usher 1B aufhalten könnte. Deshalb ist es so wichtig, ein passgenaues Usher-Modell zu haben. Es ist unsere Hoffnung und unser Ziel, dass dieses Modell uns eines Tages in die Lage versetzen wird, das Sehvermögen von Kindern mit Usher-Syndrom zu erhalten.“

Bislang arbeiteten Wissenschaftler mit Mäusen, um den Hörverlust bei Usher zu erforschen. Was den Sehverlust betrifft, sind Mäuse wegen grundlegender Unterschiede in der Augenanatomie allerdings keine geeigneten Modelle. Vor kurzem wurde ein Schweinemodell für eine andere Form der Krankheit – Usher Typ 1C – geschaffen. Doch da die Augen und das Sehvermögen von nicht-menschlichen Primaten und Menschen nahezu identisch sind, eignen sich nicht-menschliche Primaten am besten zur Erforschung menschlicher Netzhauterkrankungen und zur Bewertung potenzieller Behandlungen. Usher kommt jedoch bei diesen Tieren nicht vor. Daher mussten die Forscher einen nichtmenschlichen Primaten gentechnisch verändern. 

Erster Rhesusaffe mit Usher-Gen

Sie verwendeten CRISPR/Cas9, um eine Mutation in das MYO7A-Gen, das Usher Typ 1B verursacht, einzuschleusen. Ende 2021 wurde der erste Rhesusaffe mit dem veränderten Gen geboren. Tests bestätigten schnell, dass das neugeborene Tier kein funktionierendes Gehör hatte und sein MYO7A-Gen mutiert war. Außerdem wies es Gleichgewichtsstörungen auf. Im Alter von vier Monaten zeigten sich erste Anzeichen, dass sich seine Netzhaut zu verändern begann. Diese Veränderungen verschlimmerten sich im Laufe des ersten Jahres.

Nachdem das Team bestätigt hat, dass das Modell alle drei typischen Symptome des Usher-Syndroms aufweist, konzentriert es sich nun auf die Entwicklung einer experimentellen Gentherapie, die der Netzhaut das normale MYO7A-Gen zuführen soll, um ihrer Degeneration entgegenzuwirken. Die Arbeit an der Gentherapie ist noch nicht abgeschlossen, doch das Team geht davon aus, dass es noch in diesem Jahr erste Ergebnisse vorlegen kann.

Es ist noch nicht bekannt, ob das Modell auch zur Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten für Taubheit aufgrund des Usher-Syndroms beitragen könnte. Menschen mit dieser Krankheit werden mit einer so starken Hörbehinderung geboren, dass Experten vermuten, dass es zum Zeitpunkt der Geburt bereits zu spät sein könnte. Frühere Forschungen deuten jedoch darauf hin, dass die fetale Therapie eine weitere Option sein könnte.

Diese Forschungsarbeiten werden von der Foundation Fighting Blindness und den National Institutes of Health unterstützt. Alle Forschungsarbeiten an der OHSU, an denen Tiere beteiligt sind, müssen vom Institutional Animal Care and Use Committee (IACUC) der Universität geprüft und genehmigt werden.

 

Quelle: Oregon Health & Science University