Fristsetzungen durch KVen ‒ was ist zulässig?

Immer wieder kommt es dazu, dass KVen Fristen zur Abgabe von Abrechnungen, der Einreichung von Unterlagen oder auch Stellungnahmen setzen und bei Nichteinhaltung mit Sanktionen drohen. Wie weit dürfen sie gehen?

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Grundlagen: Was steht im Gesetz, was dürfen die KVen?

Manche Fristen finden sich bereits in bundesweit geltenden Rechtsquellen wie dem Sozialgesetzbuch (SGB) V. Dort wird z. B. in § 95d SGB V die Pflicht zur fachlichen Fortbildung normiert und ein Verstoß hiergegen direkt mit der Verpflichtung der KV (!) verknüpft, Honorar zu kürzen, sollten die Fortbildungsnachweise nicht fristgerecht eingehen. In diesem Fall hat die KV also keine andere Wahl, als die gesetzlich vorgeschriebenen Kürzungen vorzunehmen. Anders sieht es bei den Fristen aus, die die KV selbstständig setzt und für deren Versäumnis sie Sanktionen androht. Prinzipiell sind KVen durchaus berechtigt, Fristen für die Einreichung von Unterlagen zu setzen und für etwaige Fristversäumnisse auch Strafzahlungen vorzusehen. Allerdings haben sie sich hierbei an bestimmte Regeln zu halten.

Rahmenbedingungen: Das müssen KVen bei Fristen beachten

Das Hessische Landessozialgericht (LSG) entschied im Jahr 2022, dass die beklagte KV das Recht hatte, die Abrechnungsunterlagen der klagenden Praxis für das Quartal III/2010 zurückzuweisen. Rechtsgrundlage hierfür sei § 3 der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Abrechnungs-Richtlinien der KV Hessen gewesen, nach welcher Abrechnungsunterlagen vollständig spätestens zehn Tage nach Ende des Abrechnungsquartals bei der KV Hessen einzureichen waren. Abrechnungsunterlagen, die nicht innerhalb von zwölf Monaten nach diesem Abgabetermin eingereicht werden, waren nach dieser Vorschrift von der Abrechnung ausgeschlossen. Hierauf beruhende Honoraransprüche waren verwirkt. Ausnahmen konnten durch den Vorstand der KV Hessen zugelassen werden, wenn es sich um Einzelfälle handelte, die nicht vom Vertragsarzt zu vertreten waren. Das LSG beurteilte diese Vorschrift als rechtlich zulässig und berief sich auf die ständige Rechtsprechung des BSG. Das BSG hatte entschieden, dass KVen berechtigt sind, für die Einreichung der Quartalsabrechnungen Fristen vorzugeben und die Überschreitung solcher Fristen auch zu sanktionieren (Urteil des LSG Hessen vom 16.02.2022, Az. L 4 KA 59/19).

Das BSG hat dies bereits im Jahr 2005 ausgeurteilt und zur Begründung ausgeführt, dass solche Regelungen gerechtfertigt seien. Als Gründe wurden angeführt, dass die Honorierung der in einem Quartal erbrachten Leistungen möglichst aus dem für dieses Quartal zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungsvolumen zu erfolgen habe, dass nachträgliche Honorierungen dem Ziel zügiger und zeitgerechter Honorierung zuwiderlaufe sowie zusätzlichen Verwaltungsaufwand erfordere. Durch diese Ziele sei der mit dem Abrechnungsausschluss verbundene Eingriff grundsätzlich verhältnismäßig und stelle eine rechtmäßige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz dar.

Merke: Grundsätzlich ist damit für die KVen die Setzung von Fristen verbunden mit Sanktionsandrohungen für Fristversäumnisse möglich!

Trotzdem hat eine KV bei der Anwendung einer solchen Regelung immer auch die Gesamtzusammenhänge und die konkreten Geschehnisse zu berücksichtigen. So hat das BSG im zu entscheidenden Fall dargelegt, dass die KV bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die korrigierten Abrechnungsunterlagen akzeptieren muss! Dies gilt für einen Sachverhalt, bei dem

  • es sich der KV aufdrängen muss, dass ein Fehler vorliegt (z. B. eklatantes Abweichen der Abrechnungszahlen von Vorquartalen verbunden mit z. B. offensichtlichen Ungereimtheiten in der Abrechnung), 
  • der betroffene Vertragsarzt diesen Fehler zudem nicht verschuldet hat (z. B. aufgrund einer EDV-Panne) und 
  • bei Bekanntwerden (i. d. R. mit Zugang des Abrechnungsbescheids) direkt meldet und 
  • eine berichtigte Abrechnung einreicht. 

Merke: Es kommt für das BSG also darauf an, ob es sich um einen auch für die KV erkennbaren Fehler handelte, der nicht durch den betroffenen Vertragsarzt verschuldet wurde. Zudem muss der Arzt helfen, den Fehler schnellstmöglich zu beheben.

Generell ist zu sagen, dass die KVen zwar durchaus über die Möglichkeit verfügen, Fristen (z. B. zur Abgabe von Stellungnahmen oder zur Einreichung von Behandlungsunterlagen z. B. in Prüfverfahren) zu setzen und Fristversäumnisse zu sanktionieren, sie hierbei aber auch angemessen die berechtigten Interessen der Vertragsärzte berücksichtigen müssen. Die Fristen müssen daher so gesetzt sein, dass sie vonseiten der Vertragsärzte unter Berücksichtigung der täglichen Arbeitsbelastung auch eingehalten werden können. Zudem müssen sie bei Vorbringen berechtigter Gründe (z. B. Erkrankung oder längerfristig geplanter Urlaub) angemessen verlängert werden.

Praxistipp: Wird eine von der KV gesetzte Frist unverschuldet versäumt, lohnt es sich, dies der KV anzuzeigen und eine Verlängerung bzw. das Absehen von Sanktionen zu beantragen!

Zudem sollten betroffene Vertragsärzte den Posteingang des Schreibens, mit welchem die Frist gesetzt wurde, dokumentieren. Nicht selten tragen Schreiben der KVen ein Datum, welches zwei bis drei Wochen vor dem Datum der Zustellung liegt. Dies kann durch die behördlichen Abläufe, nicht zuletzt aber auch durch verzögerte Zustellungen durch die Briefzusteller bedingt sein. Da in solchen Fällen die Frist erheblich verkürzt sein kann, sollte dies der KV gegenüber unverzüglich angezeigt und eine entsprechende Fristverlängerung beantragt werden.

Sollte die KV argumentieren, dass bei einer Verlängerung der gesetzten Frist eine Verjährung möglicher Ansprüche der KV eintreten könnte, kann vonseiten der Vertragsärzte eine Erklärung abgegeben werden, wonach diese auf die Erhebung der Einrede der Verjährung für einen bestimmten Zeitraum (z. B. sechs Monate) verzichten. Sollte dies geschehen, kann die KV eine möglicherweise drohende Verjährung nicht mehr als Argument verwenden.

RAin, FAin MedizinR Sabine Warnebier, Münster, voss-medizinrecht.de