Normaldruckglaukom: Niedriger Hirndruck möglicher Risikofaktor

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung litauischer Wissenschaftler hat weitere Beweise dafür vorgelegt, dass der intrakranielle Druck beim Normaldruckglaukom eine wichtige Rolle spielt. Ihre Studie zeigt, dass ein niedriger Hirndruck mit Beeinträchtigungen des Gesichtsfelds korreliert –insbesondere im nasalen Bereich.

© European Patent Office
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Ein Glaukom kann sich auch bei einem normalen Augeninnendruck entwickeln. Die Prävalenz des Normaldruckglaukoms (NDG) bei Patienten in der Weltbevölkerung liegt nach verschiedenen Studien zwischen 30 und 90 Prozent.

„Die moderne Medizin verfügt über Methoden, um einen erhöhten Augendruck zu behandeln und die Schädigung des Sehnervs zu verlangsamen oder sogar zu stoppen. Bei einem Normaldruckglaukom funktionieren diese Methoden jedoch nicht. In der wissenschaftlichen Gemeinschaft wächst das Bewusstsein, dass das Glaukom durch zwei Drücke verursacht wird – im Auge und im Schädel“, so Prof. Arminas Ragauskas von der Kaunas University of Technology (KTU), Litauen.

Ragauskas, Leiter des Health Telematics Science Institute an der KTU, ist der Erfinder einer nicht-invasiven Technologie zur Messung des intrakraniellen Drucks, die in der neuen Studie angewendet wird.

Er erklärt weiter, dass der Sehnerv vom Liquor umspült wird. Sowohl der intrakranielle Druck (ICP), der im Liquor gemessen wird, als auch der intraokulare Druck (IOD) können seinen Zustand beeinflussen. In jüngster Zeit haben sich die Forscher auf das Gleichgewicht zwischen den beiden Drücken, d. h. die translaminare Druckdifferenz (TDD), und ihren Zusammenhang mit der Glaukomentstehung konzentriert.

Studie zeigt mögliche Zusammenhänge zwischen Hirndruck und Glaukom

An einer kürzlich von Forschern litauischer, israelischer und amerikanischer Universitäten durchgeführten Studie nahmen 80 Patienten mit NDG im Frühstadium teil. 

Während der Studie wurden verschiedene Messungen durchgeführt, darunter intraokularer Druck (IOD), intrakranieller Druck (ICP) und Gesichtsfeldperimetrie. Die translaminare Druckdifferenz (TDD) wurde nach der Formel TDD = IOD - ICP berechnet. Das Gesichtsfeld wurde in fünf Zonen unterteilt: nasal, temporal, peripher, zentral und parazentral.

Die Studie ergab mehrere statistisch signifikante Korrelationen zwischen intrakraniellem Druck, TDD und Gesichtsfeldveränderungen. Je höher die TDD war, desto stärker waren die Beeinträchtigungen des Gesichtsfelds, wobei die signifikantesten Verluste im nasalen Bereich auftraten.

„Gesichtsfeldverlust bedeutet nur eines – eine Person erblindet. Deshalb ist es so wichtig, die Ursachen für diesen Zustand zu verstehen und ihn umzukehren. Wir sind uns alle über die schlimmen Folgen im Klaren“, sagt Prof. Ragauskas.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass eine höhere TDD als Risikofaktor für die negative Entwicklung eines NDG betrachtet werden kann. Da die TDD durch Subtraktion des ICP vom IOD berechnet wird, ist sie umso höher, je niedriger der gemessene intrakranielle Druck ist. Beim NDG kann also ein niedrigerer intrakranielle Druck ein möglicher Risikofaktor betrachtet werden.

 

Prof. Arminas Ragauskas. Bild: Kaunas University of Technology (KTU)

„Die Idee, dass der Hirndruck mit dem Gesichtsfeld zusammenhängt, ist nicht neu. Vor einigen Jahren haben wir eine Reihe von Experimenten durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen Gesichtsfeld und intrakraniellem Druck zu untersuchen, wobei wir die hier an der KTU entwickelte nicht-invasive Technologie einsetzten. Auf Konferenzen habe ich dann gesehen, wie unsere neue Idee von der internationalen ophthalmologischen Community mit Begeisterung aufgenommen wurde“, sagt Prof. Ragauskas.

Der Zusammenhang zwischen intrakraniellem Druck und Glaukom eröffnet Medizinern neue Wege zur Erforschung der Genese und der möglichen Therapie dieser Krankheit. In den letzten Jahren haben wissenschaftliche Gruppen aus der ganzen Welt Beweise für diese Hypothese erbracht. 

In der Studie wurde der intrakranielle Druck mit einem Transkraniellen Doppler mit zwei Tiefen (Vittamed UAB, Litauen) gemessen, der von Prof. Ragauskas' Team in den Labors der Kaunas University of Technology entwickelt wurde. Im Gegensatz zum üblichen Verfahren zur Messung des Hirndrucks, bei dem ein kleines Loch in den Schädel des Patienten gebohrt wird, ermöglicht die Erfindung von Prof. Ragauskas eine nicht-invasive Messung durch das Auge mittels Ultraschall. Verschiedene industrielle Anwendungen der Erfindung wurden in den USA und Europa patentiert.

„Wir konkurrieren nicht mit invasiven Methoden, sondern gehen in eine völlig neue Richtung. Im Moment sehe ich, dass die Augenheilkunde der Bereich ist, in dem unsere Technologie am meisten gebraucht wird, und wir nutzen sie für Forschungszwecke. Wir entwickeln unsere Erfindung jedoch ständig weiter und haben kürzlich eine Reihe neuer Anwendungen patentiert, die auch in anderen Bereichen eingesetzt werden könnten, in denen die Messung des Hirndrucks von entscheidender Bedeutung ist. Zum Beispiel bei Langzeit-Weltraummissionen“, sagt KTU-Professor Ragauskas.

Weitere Informationen: The Relationship between Intracranial Pressure and Visual Field Zones in Normal-Tension Glaucoma Patients 

Quelle: Kaunas University of Technology (KTU)