BGH-Urteil zur Bedenkzeit vor einer Operation

Welche Bedenkzeit muss Patienten zwischen dem Aufklärungsgespräch und der Entscheidung über die Einwilligung zu einer Operation eingeräumt werden? Damit beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Urteil.

©Adobe Stock
©Adobe Stock

Patienten müssen vor einem Eingriff vom Arzt über mögliche Risiken aufgeklärt werden. In § 630e BGB wurden die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Selbstbestimmungsaufklärung kodifiziert. So muss die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient „durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann.“

Keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“

Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt in einem gerade veröffentlichten Urteil vom 20.12.22 (VI ZR 375/21) klar, dass die Bestimmung keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vorsieht, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde. Die Bestimmung enthält eben „keine Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste.“ Das bedeutet, dass der Patient seine Entscheidung für einen Eingriff auch unmittelbar nach einer ordnungsgemäßen Aufklärung geben kann. Dies sei, so der BGH, „seine Sache“: Sieht sich der Patient „bereits nach dem Aufklärungsgespräch zu einer wohlüberlegten Entscheidung in der Lage, ist es sein gutes Recht, die Einwilligung sofort zu erteilen.“

Wenn er sich dagegen eine Bedenkzeit wünscht, „so kann von ihm grundsätzlich erwartet werden, dass er dies gegenüber dem Arzt zum Ausdruck bringt und von der Erteilung einer – etwa im Anschluss an das Gespräch erbetenen – Einwilligung zunächst absieht.“

Eine andere Beurteilung ist – sofern medizinisch vertretbar – allerdings dann geboten, wenn für den Arzt erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung benötigt.

Es empfiehlt es sich deshalb, den Patienten nach dem Aufklärungsgespräch zu fragen, ob er noch weitere Informationen benötigt bzw. ob noch offene Fragen bestehen und ob er seine Entscheidung jetzt treffen kann oder noch Bedenkzeit braucht. Dies ist immer patientenindividuell zu beurteilen und auch abhängig von der Schwere des Eingriffs sowie den damit verbundenen Risiken. Die Aufklärung und die Reaktion des Patienten sollten dokumentiert werden.

In dem vom BGH verhandelten Fall verlangt ein Patient Schadenersatz von einer Klinik aufgrund einer missglückten Nasen-OP, bei der eine Hirnblutung aufgetreten war. Sein Aufklärungsgespräch hatte er drei Tage vor dem Eingriff, das Formular zur Einwilligung unterzeichnete er direkt im Anschluss an das Gespräch.

Quelle: BGH / Urteil vom 20.12.2022 - VI ZR 375/21