Augenerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes rückläufig – DDG fordert konsequenteres Screening

Die diabetische Retinopathie (DR) ist bei Kindern und Jugendlichen rückläufig. Doch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) weist darauf hin, dass bestimmte Patientengruppen mit Diabetes in Deutschland aufgrund von verschiedenen Barrieren immer noch zu selten auf diabetesbedingte Augenerkrankungen gescreent werden.

© caden bern /unsplash
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Auch würde nur jeder dritte Bluthochdruck bei Diabetespatientinnen und -patienten konsequent behandelt. „Das Potential für eine bessere Versorgung ist bei der Arztdichte in Deutschland groß“, geben DDG-Experten zu Bedenken.

Verbesserte glykämischen Kontrolle

Lange Zeit war die DR eine der Haupt-Komplikationen bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes. Nun gibt es allerdings einen Trend zu weniger Augenerkrankungen in dieser Patientengruppe, wie eine aktuelle internationale Kohorten-Studie im Journal „Pediatric Diabetes zeigt“. „Wir können vermuten, dass diese Entwicklung im Zusammenhang mit der verbesserten glykämischen Kontrolle in den letzten Jahren stehen könnte. Diese wurde auch mithilfe des gestiegenen Zugangs zu Diabetes-Technologien, wie der kontinuierlichen Blutzuckermessung (CGM) und Insulinpumpen, ermöglicht“, erklärt Professor Dr. med. Reinhard Holl die Ergebnisse der Studie, an der er mit dem deutschen DPV-Register (Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation) mitgewirkt hat. „Das trug offenbar erheblich dazu bei, mikro- und makrovaskuläre Komplikationen, die zur Retinopathie, aber auch zur Nephropathie und Neuropathie führen, hinauszuzögern oder gar zu verhindern.“

Die Studien-Autorinnen und -Autoren konnten anhand der Daten von über 156.000 jungen Diabetespatientinnen und -patienten in elf Ländern zeigen, dass die Retinopathie-Erkrankungszahlen international rückläufig sind. Holl, Leiter der Arbeitsgruppe Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Medizin im epidemiologischen Institut der Universität Ulm, begrüßt diese positive Entwicklung, nimmt die aktuelle Studie aber auch zum Anlass, auf Lücken in der Versorgung bei Diabetespatienten hinzuweisen. Denn die Untersuchung zeige auch auf, dass in einigen Ländern – darunter auch Deutschland – weiterhin zu wenige Maßnahmen zur Verhinderung von Bluthochdruck ergriffen würden, der wiederum Gefäßschäden begünstigt. „Trotz der hohen Assoziation zwischen erhöhtem Blutdruck und Gefäßschäden bei Diabetes ist die frühzeitige Bluthochdruck-Behandlung noch zu selten Teil der Diabetestherapie“, kritisiert Holl. Nur etwa jeder dritte Erwachsene mit Diabetes erhält im Falle eines dauerhaften Bluthochdrucks eine ausreichende medikamentöse Behandlung.3

Nur ein Drittel der neu Betroffenen profitieren von leitliniengerechtem Augen-Screening

Auch profitieren lediglich rund ein Drittel der Betroffenen bei Diagnose und gerade einmal die Hälfte der Patientinnen und Patienten nach zwei Jahren Diabetesdauer von einem leitliniengerechten Augen-Screening, wie Untersuchungen zeigen.4 „Das ist definitiv ein Versäumnis, wenn man bedenkt, dass im Frühstadium eines Diabetes die Netzhaut das einzige Gefäßgebiet ist, das hyperglykämische Schäden anzeigt – im Gegensatz beispielsweise zur Niere, die vor allem bei Insulinresistenz reagiert“, gibt Professor Dr. med. Hans-Peter Hammes, ehemaliger Ko-Vorsitzender der DDG-Arbeitsgemeinschaft „Diabetes & Auge“ zu Bedenken. 

„Die Augen sind ein Spiegel für den allgemeinen Gefäßzustand“

„Weitaus mehr DR-Fälle könnten identifiziert und deren Verschlechterung verhindert werden, würde konsequenter augenärztlich untersucht oder Risikofaktoren wie Bluthochdruck effektiver behandelt.“ Zudem trage ein Augenscreening über den Erhalt des Augenlichtes hinaus auch dazu bei, eventuelle Schäden an großen Blutgefäßen vorauszusehen, zu verhindern und somit bestenfalls sogar das Sterblichkeitsrisiko – beispielsweise durch daraus entstehende Herz-Kreislauferkrankungen – zu verringern. „Die Augen sind ein Spiegel für den allgemeinen Gefäßzustand – Präventionsmaßnahmen an diesem Organ sind insbesondere bei einem Diabetes essenziell“, betont Hammes, ehemaliger Sektionsleiter Endokrinologie an der 5. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim.

Weitere Informationen:
Differences in retinopathy prevalence and associated risk factors across 11 countries in three continents
Undertreatment of cardiovascular risk factors in the type 1 diabetes exchange clinic network (United States) and the prospective diabetes follow-up (Germany/Austria) registries
Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022

Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft