Kongenitales Glaukom: Neue genetische Mutation identifiziert

Ein internationales Team unter der Leitung von Wissenschaftlern der Harvard Medical School hat eine neue genetische Mutation entdeckt, die möglicherweise die Ursache des kongenitalen Glaukoms ist.

© hu chen / unsplash
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Das kongenitale Glaukom ist eine angeborene Erkrankung, die familiär gehäuft auftritt und unbehandelt zu einer irreversiblen Schädigung des Sehnervs führt. Der Erkrankungsbeginn liegt um den Zeitpunkt Geburt oder innerhalb der ersten Lebenswochen. Kinder mit einem kongenitalen Glaukom müssen in der Regel bereits in den ersten drei bis sechs Lebensmonaten operiert werden, gefolgt von weiteren Operationen im Laufe ihrer Kindheit. Die Erkrankung ist weltweit für 5 Prozent der Erblindungsfälle bei Kindern verantwortlich.

Mithilfe innovativer Genomsequenzierungstechnologie fanden die Forscher vom Mass Eye and Ear und dem Boston Children's Hospital eine Mutation im Thrombospondin-1 (THBS1)-Gen in drei Familien, in denen das kongenitale Glaukom gehäuft aufgetreten ist. Anschließend bestätigten die Forscher ihre Ergebnisse an einem Mausmodell, das die Genmutation aufwies und daraufhin Symptome eines Glaukoms entwickelte, die durch einen bisher unbekannten Krankheitsmechanismus ausgelöst wurden.

Die neuen Erkenntnisse, die am 1. Dezember im Journal of Clinical Investigation veröffentlicht wurden, könnten zu einem verbesserten Screening auf kongenitales Glaukom und zu einer früheren und gezielteren Behandlung führen, so die Autoren der Studie.

„Dies ist eine sehr wichtige Erkenntnis für Familien, die von einem kongenitalen Glaukom betroffen sind", sagte Janey Wiggs, Professorin für Augenheilkunde am Mass Eye and Ear. „Mit diesem neuen Wissen können wir Gentests anbieten, um Kinder in einer Familie zu identifizieren, die ein Risiko für die Erkrankung haben, und früher mit der Krankheitsüberwachung und Behandlungen beginnen, um ihr Sehvermögen zu erhalten. In Zukunft werden wir versuchen, neue Therapien zu entwickeln, die auf diese genetische Mutation abzielen.“

Aufdeckung der genetischen Faktoren

Um die genetischen Mutationen beim kongenitalen Glaukom besser untersuchen zu können, betrachteten Wiggs und ihr Team von Mass Eye and Ear zunächst die Exom-Sequenzen einer amerikanischen Familie europäisch-kaukasischer Abstammung, die an einem früheren Forschungsprojekt teilgenommen hatte. Hier fanden sie eine auffällige neuartige Variante in Thrombospondin-1, einem Protein, das an einer Reihe wichtiger biologischer Prozesse beteiligt ist: Es reguliert die Proliferation, Apoptose, Angiogenese, die Aktivierung des Gewebshormons TGF beta und die Aktivität des Immunsystems.

Bei Menschen ohne kongenitales Glaukom wurde dieses mutierte Gen nicht gefunden. Die durch die Mutation veränderte Aminosäure war evolutionär konserviert, was auf eine wichtige Rolle bei der Funktion des Proteins hinweist. Dieser Befund veranlasste Wiggs, Kollegen an der Flinders University in Australien zu kontaktieren, um zu sehen, ob bei den von ihnen untersuchten Familien mit gehäuft auftretendem kongenitalem Glaukom ebenfalls Thrombospondin-Mutationen vorlagen. Sie ermittelten zwei Familien mit einer Veränderung an der gleichen Aminosäure: eine mit europäisch-indischer Abstammung und eine Familie, die ursprünglich aus dem Sudan stammt.

„Was bei diesem Ergebnis auffällt, ist, dass alle drei Familien diese genetische Variante aufwiesen und es nicht möglich war, dass sie miteinander verwandt waren, weil sie einen so unterschiedlichen Hintergrund hatten", sagte Wiggs. "Das bedeutete, dass diese Mutation wirklich bedeutsam ist".

Um ihre Hypothese zu überprüfen, arbeiteten die Forscher mit Robert D'Amato, Professor für Augenheilkunde am Boston Children's Hospital, zusammen. D'Amatos Team entwickelte ein Mausmodell mit der THBS1-Mutation und stellte fest, dass diese Mäuse ebenfalls Symptome eines Glaukoms aufwiesen.

Thrombospondin-Proteine im Trabekelmaschenwerk

„Thrombospondin-1 ist als starker Angiogenesehemmer bekannt", sagte D'Amato, der seit mehr als drei Jahrzehnten zur Angiogenese forscht. „Ich nahm zunächst an, dass THBS1-Mutationen die Blutgefäßneubildung im Auge stören, aber unsere Tiermodelle zeigten eine normale Angiogenese. Uns wurde klar, dass es einen anderen Mechanismus geben muss."

Konkret zeigte D'Amatos Labor, dass die Mutation dazu führte, dass sich abnormale Thrombospondin-Proteine im Trabekelmaschenwerk ansammelten. Das führte zu einem Druckanstieg, der den Sehnerv schädigte und den Verlust der retinaler Ganglienzellen bedingte, was wiederum den Sehverlust verursachte. Dies war das erste Mal, dass Forscher diesen Krankheitsmechanismus für die Entstehung eines kongenitalen Glaukoms identifizierten.

Die neue Studie hat den Forschern zufolge erhebliche klinische Auswirkungen. Zwar muss noch mehr getan werden, bevor umfassende Gentests angeboten werden können, doch stellt jedes gefundene Gen eine weitere Möglichkeit dar, die Mutationen in betroffenen Familien durch ein Screening zu identifizieren, so die Autoren.

Therapeutisch gesehen kann das Wissen um diese Genmutation zu einer früheren Behandlung führen. Die Identifizierung dieses neuen Mechanismus und des Gens, das dem kongenitalen Glaukom zugrunde liegt, könnte auch zu neuen Therapien führen, die auf die Anhäufung der abnormalen Proteine abzielen. Die Forscher wollen auch herausfinden, ob andere THBS1-Mutationen an im Erwachsenenalter auftretenden Erkrankungen wie dem primären Offenwinkelglaukom beteiligt sind.

Mehr Informationen: Thrombospondin 1 missense alleles induce extracellular matrix protein aggregation and TM dysfunction in congenital glaucoma

Quelle: Harvard Medical School