Dokumentation in der Vertragsarztpraxis ‒ gesetzliche Vorgaben und Rechtsprechung

In diesem Beitrag werden die vertragsarztrechtlichen Dokumentationspflichten näher beleuchtet, denen die Ärztinnen und Ärzte nachkommen müssen, um ihre Leistungen durch die zuständige KVen vergütet zu bekommen.

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Die Verpflichtung zur Dokumentation der ärztlichen Behandlung ist im Berufsrecht (§ 10 Musterberufsordnung [MBO]), Vertragsarztrecht (§ 57 Bundesmantelvertrag-Ärzte [BMV-Ä]) sowie im Zivilrecht (§ 630f Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) geregelt. Die berufsrechtlichen, vertragsarztrechtlichen und zivilrechtlichen Regelungen überschneiden sich in weiten Teilen, unterscheiden sich aber im Hinblick auf die Zielrichtung. 

Grundsätzliches zur Dokumentation des Vertragsarztes

Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hatte sich in einem Urteil vom 24.09.2019 (Az. L 4 KA 26/18) mit den vertragsärztlichen Dokumentationspflichten zu beschäftigen. Als Fazit aus dieser Entscheidung bleiben die folgenden zentralen Punkte festzuhalten:

  • Es ist Sache des Vertragsarztes, die vollständige Leistungserbringung, die seiner Abrechnung zugrunde liegt, nachzuweisen.
  • Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Dokumentation steht dann einer Abrechnung der Leistung entgegen, wenn die Dokumentation nach der Leistungslegende der einzelnen Gebührenposition im EBM Bestandteil der zu vergütenden Leistung ist.
  • Bei fehlender bzw. unzutreffender Dokumentation ist die KV berechtigt, die betroffenen EBM-Positionen vollständig zu streichen, anstatt andere geringer bewertete Ziffern oder den Fachgruppendurchschnitt zugrunde zu legen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 06.09.2000, Az. B 6 KA 17/00 B).
  • Rechtsfolge einer Abrechnungsauffälligkeit ist, dass die KV im Fall einer grob fahrlässig falschen Abrechnungs-Sammelerklärung ein weites Schätzungsermessen für die Berichtigung der Honorarabrechnung hat (BSG, Urteil vom 17.09.1997, Az. 6 R Ka 86/95).
  • Die Schätzung des neu festzusetzenden Honorars eröffnet der KV keinen der Gerichtskontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum. Vielmehr hat das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen.

Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen LSG zum BSG blieb erfolglos, sodass sie verbindlich ist.

Inhalt und Zeitpunkt der Dokumentation

Die zivilrechtliche Verpflichtung zur Dokumentation sieht die Aufnahme der Anamnese, der Diagnose, der Untersuchungen inkl. Ergebnisse, sämtliche Befunde, Therapien und deren Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen sowie Einwilligungen und Aufklärungen vor. Hingegen ergibt sich für die vertragsärztliche Abrechnung aus dem EBM, welche Dokumentation für die jeweilige Leistung obligatorisch ist.

Wann, also zu welchem Zeitpunkt, die Dokumentation vorgenommen wird, ist vertragsarztrechtlich nicht vorgeschrieben. Allerdings ergibt sich aus § 630 f Abs. 1 BGB, dass die Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung vorzunehmen ist und somit i. d. R. während oder unmittelbar nach der Behandlung zu erfolgen hat. Zivilrechtlich ist der Arzt also verpflichtet, unmittelbar im Anschluss an die Behandlung zu dokumentieren.

Dokumentation bei bestimmten Programmen

Für Leistungsbereiche an denen viele Ärzte teilnehmen, wie z. B. Disease-Management-Programme (DMP) oder Früherkennungskoloskopien, haben die Hersteller von Praxisverwaltungssystemen (PVS) Angebote für die vorgeschriebenen Dokumentationsbögen für ihre Programme entwickelt. Zusätzlich haben einzelne KVen auch selbst Dokumentationslösungen für die Ärzte entwickelt.

Spezielle eDoku zur Qualitätssicherung

Für bestimmte genehmigungspflichtige Leistungen mit entsprechender Dokumentationsverpflichtung bieten die KBV und die KVen ergänzend zum Angebot der Softwarehersteller ein bundesweit verfügbares Online-Portal eDoku an, um zu gewährleisten, dass alle betroffenen Ärzte sicher dokumentieren können. Dies gilt für: 

  • Qualitätssicherung in der Kapselendoskopie
  • Qualitätssicherung in der Molekulargenetik
  • Qualitätssicherung in der Hörgeräteversorgung von Jugendlichen und Erwachsenen
  • Qualitätssicherung in der Hörgeräteversorgung von Säuglingen, Kleinkindern und Kindern

Um Ärzten die Dokumentation in ihrer gewohnten Softwareumgebung zu ermöglichen, bietet das eDoku-Portal eine passende Schnittstelle via KV-Connect an, um die geforderten Angaben aus der Praxissoftware direkt zu übertragen. Für Ärzte, deren Software keine Datenerfassung und -übertragung zulässt, besteht die Möglichkeit, die Angaben direkt im Online-Portal zu dokumentieren.

Mehrere behandelnde Ärzte

Die Dokumentationspflicht trifft grundsätzlich denjenigen, der die zu dokumentierende Handlung vornimmt. Wenn also mehrere Ärzte, etwa in einer BAG oder einem MVZ einen Patienten behandeln, trifft die Dokumentationspflicht jeden einzelnen Leistungserbringer. Haben die Ärzte die Dokumentation an nichtärztliches Personal delegiert, sind sie auch hierfür verantwortlich.

Da Vertragsärzte verpflichtet sind, die von ihnen erbrachten Leistungen mittels ihrer lebenslangen Arztnummer (LANR) zu kennzeichnen, lässt sich auch aus der Abrechnung genau erkennen, welcher Arzt welche Leistung erbracht hat. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 37a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 44 Abs. 7 Satz 1 BMV-Ä. Dies gilt auch für Leistungen, die von angestellten Ärzten erbracht werden (siehe auch Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 23.01.2020, Az. S 25 KA 18/20 ER).

Sicherheitsmaßnahmen bezüglich der Dokumentation

Gemäß § 630f BGB darf der Arzt nur eine revisionssichere, also fälschungssichere Software einsetzen, die Änderungen speichert und ursprüngliche Eintragungen beibehält. Er darf keine Software mehr verwenden, die die ursprüngliche Eintragung überschreibt. Außerdem muss er auf besondere Sicherungs- und Schutzmaßnahmen achten, um die Veränderung, Vernichtung oder unrechtmäßige Verwendung von Patientendaten zu verhindern.

Im vertragsärztlichen Bereich wird die Sicherheit der Dokumentation über zertifizierte PVS abgebildet. Auch wenn die Systeme in erster Linie eine Standardisierung in Bezug auf den elektronischen Datenaustausch zwischen Praxis und KV oder anderen Datenempfängern bezwecken, so können diese auch zur sicheren Übermittlung von Dokumentationsdaten eingesetzt werden.

Verständlichkeit

Die Dokumentation muss die wesentlichen diagnostischen und therapeutischen Sachverhalte in verständlicher Form zusammenfassen, und zwar für einen Mediziner, nicht unbedingt für einen Laien. Er kann dabei auch Stichworte verwenden, solange diese verständlich sind. Nicht ausreichend dürfte hingegen eine stenografische Dokumentation sein. Medizinische Selbstverständlichkeiten braucht der Arzt nicht aufzuführen. Die Dokumentation muss insgesamt leserlich und nachvollziehbar sein.

Aufbewahrungspflicht Dokumentation

Im Anschluss an die Behandlung sind die Dokumente i. d.  R. zehn Jahre aufzuheben, soweit sich nicht aus anderen Gesetzen eine längere Aufbewahrungsdauer ergibt.  

FAZIT 

  • Beachten Sie die vom Schleswig-Holsteinischen LSG zusammengefassten Grundsätze zur Dokumentation der vertragsärztlichen Leistung.
  • Dokumentieren Sie unter Angabe der LANR und der BSNR am besten sofort nach Behandlung des Patienten.
  • Achten Sie dabei auf die Vorgaben der jeweiligen Leistungslegende.
  • Dokumentieren Sie verständlich, sodass ein Kollege ihre Ausführungen nachvollziehen kann.
  • Archivieren Sie die Dokumentation.
  • Dokumentieren Sie Urlaubs- und Krankheitszeiten in der Abrechnungs-Sammelerklärung.