Dr. Glaucomflecken: Ophthalmologe wird Comedy Star

Mit über drei Millionen Followern auf Youtube, Twitter und TikTok ist der praktizierende Augenarzt Will Flanary zum Social-Media-Phänomen avanciert. Als Dr. Glaucomflecken nimmt er in kurzen Videos die Eigenheiten der Vertreter verschiedener medizinischer Fachrichtungen satirisch aufs Korn.

Youtube/Will Flanary
Youtube/Will Flanary

Ophthalmologe und Social-Media-Comedy-Star – diese weltweit wohl einmalige Kombination verkörpert Will Flanary alias Dr. Glaucomflecken. Der Augenarzt aus Portland, Oregon, begann seine Karriere mit absurden Tweets: A drusen researcher just called another drusen researcher a „pseudo-drusen researcher“ #ARVO2016 #ARVOfights. Doch als er TikTok und YouTube für sich entdeckt, steigt er auf kurze Videos um. Mit Erfolg: Bis heute wurden seine Beiträge rund 50 Millionen Mal geklickt. Und beim diesjährigen Meeting der American Society of Cataract and Refractive Surgery (ASCRS) Meeting sorgte er mit seiner Keynote Lecture, die natürlich eher einer Stand-Up-Comedy-Show glich, für ein begeistertes Auditorium. Eines der Highlights: ein Einspieler, in dem er nicht nur Dr. Glaucomflecken verkörpert, sondern auch Dr. Ike Ahmed, den Rock’n' Roller unter den Star-Augenchirurgen. 

Vom stets Sonnenbrille tragenden Radiologen bis zum herablassenden Neurologen, vom verunsicherten Medizinstudenten bis zum gutmütigen Pädiater – Flanary verkörpert alle Personen, die in seinen Sketchen vorkommen, selbst. Kaum ein Facharzt bleibt von seinem Humor verschont, auch der Ophthalmologe nicht. Dank seines „loyal scribe“ Jonathan, einem freundlich lächelnden Faktotum, das ihm rund um die Uhr den Rücken freihält, kann er sich ausgedehnte Mittagspausen leisten und ist an sich tiefenentspannt. Wenn da nicht seine heimlichen Ängste vor „body medicine“ wären:

Is There a Doctor on the Plane?

Zu den Highlights des YouTube Kanals Dr. Glaucomflecken zählt die Serie Therapy Sessions, bei der alle Fachärzte den Klinikpsychologen besuchen. 

 

The Ophthalmologist Goes to Therapy The Neurologist Goes to Therapy The Radiolologist Goes to Therapy

 

Will Flanarys komödiantische Karriere beginnt als Klassenclown. Mit 17 steht er als Stand-Up Comedian in einem kleinen Club in Huston erstmal auf der Bühne. Seine Nummern drehen sich vor allem um den irischen Background seiner Familie. Die Resonanz des Publikums ist allerdings nicht so überwältigend, dass Flanary sich vorstellen kann, seinen Lebensunterhalt als Komiker zu verdienen. Also geht er, wie er in einem Interview erklärt, „den viel einfacheren Weg und wurde Arzt.“ Das Thema Comedy ist damit zunächst erledigt.

Doch im dritten Jahr seines Medizinstudiums erhält Flanary eine niederschmetternde Diagnose: Hodenkrebs. Die Behandlung verläuft erfolgreich. Um diese traumatische Erfahrung besser zu bewältigen, beginnt er wieder mit Stand-Up. 

Seine Entscheidung für die Augenheilkunde erfolgt aus eher pragmatischen Gründen: „Ich wechselte von einem chirurgischen Praktikum mit 12-Stunden-Tagen zu einem ophthalmologischen Praktikum, bei dem ich eine Mittagspause hatte, und ich sah, dass es vernünftige Arbeitszeiten gab. Ich dachte: Oh, ich kann das haben und Chirurgie machen, das ist cool."

Eigentlich sieht jetzt alles gut aus im Leben von Will Flanary: Er heiratet, wird Vater zweier Kinder und macht seine Facharztausbildung in Augenheilkunde. Doch dann musste er erkennen, dass er „zu den glücklichen ein bis zwei Prozent der Menschen mit Hodenkrebs gehört, die ihn auch im anderen Hoden bekommen. Ich bin wirklich gut darin, meinen eigenen Hodenkrebs zu finden". Er lässt sich den verbliebenen Hoden operativ entfernen und beginnt mit einer Hormonersatztherapie in Form einer wöchentlichen, selbst verabreichten Testosteroninjektion. Sie sei so einfach durchzuführen, „dass dies sogar ein Augenarzt hinbekommt“, so Flanary.

Nach seiner Genesung ist er zunächst zu beschäftigt, um neben seiner Facharztausbildung mit Comedy weiterzumachen. Doch dann entdeckt er Twitter und hatte hier schnell rund 100.000 Follower – als @DGlaucomflecken. Den Namen übernimmt er von der Bezeichnung für subkapsuläre, milchigweiße Trübungen der vorderen Augenlinse bei einem akuten Winkelblockglaukom. Für ihn „das lächerlichste Wort, das mir in der Augenheilkunde einfiel“.

Im Frühjahr 2020, während des Höhepunkts des ersten COVID-19-Lock-Downs, stößt er auf TikTok und so erwacht Dr. Glaucomflecken im Videoformat zum Leben. Das Projekt ist eine One Man Show: Flanary ist Autor, Regisseur, Cutter und natürlich Darsteller aller Rollen. Gerade als er beginnt, seine Videos zu veröffentlichen, ereilt ihn ein dritter Schicksalsschlag: Im Schlaf erleidet er einen Herzstillstand. Flanary überlebte nur durch die Tatkraft seiner Frau Kristin. Sie führte eine Herz-Lungen-Wiederbelebung durch, bis ein Rettungssanitäter eintraf, der ihn ins Krankenhaus brachte. Seitdem lebt Flanary mit einem subkutanen Defibrillator.

Seit seiner Entlassung und einem anschließenden Video, in dem er die US-amerikanische Krankenversicherungsbranche aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen an den Pranger stellt und das auf eine große öffentliche Resonanz trifft, ist Dr. Glaucomflecken zu einem Social-Media-Phänomen geworden. Dass seine Videos auch bei Kollegen gut ankommen, zeugen die zahlreichen „Reaction Videos“, in denen Ärzte sich Glaucomflecken-Sketche anschauen und sie amüsiert kommentieren. 

 

Dr. Parisis, Radiologe Dr. David Hindin, Chirurg Dr. Martin Rutkowski, Neurochirurg

Natürlich gibt es auch negatives Feedback. „Es gibt immer Leute, die einige der Dinge, über die ich mich lustig mache, nicht zu schätzen wissen. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich mich über alle möglichen Spezialgebiete lustig mache, auch über mein eigenes. Es ist so wichtig, dass wir uns selbst nicht zu ernst nehmen. Wir haben einen unglaublich ernsten Job, aber es ist wichtig, dass wir über uns selbst lachen können.“

 

Quellen / mehr über Dr. Glaucomflecken

eyenews: Dr Glaucomflecken: Stayin’ Alive

Medscape: Dr. Glaucomflecken on Why We Can All Use a Laugh Right Now

Washington Post. TikTok doc makes physicians laugh at themselves