Nachbesetzung von Viertel-Arztstellen: Jahresfrist oder doch nur sechs Monate?

Achtung: Bei der Nachbesetzung von Viertel-Versorgungsverträgen in Praxen und in MVZ ist nunmehr Vorsicht geboten. Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) Praxen und MVZ für Viertel-Stellen eine Nachbesetzungsfrist von zwölf anstelle der regulären sechs Monate zugestanden hatte, verkürzen einige Zulassungsausschüsse die Nachbesetzungsfrist nunmehr auf sechs Monate! Es könnte lohnenswert sein, dagegen vorzugehen.

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Bisheriger Rechtsrahmen

Vakante Anstellungen können ‒ vorbehaltlich eines geeigneten Nachfolgers ‒ recht einfach nachbesetzt werden. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Praxis oder ein MVZ hierfür sechs Monate Zeit haben. Dies wird mangels gesetzlicher Regelung mit einem Verweis auf die Sechsmonatsfrist bei Zulassungsentziehungen begründet.

Abweichend hiervon hatte das BSG bereits mit einem Urteil vom 04.05.2016 (Az. B 6 KA 28/15 R) entschieden, dass bei Viertel-Stellen eine Nachbesetzungsfrist von zwölf Monaten gilt. Als Argumente führte das BSG an, dass Viertel-Versorgungsaufträge (seinerzeit) ‒ anders als halbe oder volle Versorgungsaufträge ‒ nur in der Bedarfsplanungsrichtlinie, nicht aber in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) oder dem SGB V geregelt waren. Zwar sieht das BSG eine Notwendigkeit für eine Nachbesetzungsfrist, um bedarfsplanungsrechtliche Verwerfungen sowie Überversorgung durch „Bunkern“ von Arztstellen zu vermeiden. Aufgrund der geringen bedarfsplanerischen Relevanz von Viertel-Stellen sowie den erheblichen Schwierigkeiten für Praxen und MVZs bei der Nachbesetzung dieser (wenige Bewerber für max. 10 Wochenstunden Teilzeittätigkeit) hat das BSG eine Nachbesetzung innerhalb von zwölf (anstatt sechs) Monaten für ausreichend erachtet.

Neuer Rechtsrahmen und Blickwinkel der Zulassungsgremien

Mit dem Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) am 11.05.2019 hat der Gesetzgeber den Viertel-Versorgungsauftrag jedenfalls punktuell auch im SGB V (§ 95 Absatz 6) und der Ärzte-ZV (§ 27) geregelt.

Einige Zulassungsgremien haben dies nun zum Anlass genommen, ihre Spruchpraxis bei der Festlegung der Nachbesetzungsfrist zu ändern. So wird vertreten, dass mit der Regelung des Viertel-Versorgungsauftrags die

  • die Bedarfsplanungs-Richtlinie, 
  • das SGB V und 
  • die Ärzte-ZV harmonisiert seien und nunmehr für alle vakanten Angestelltensitze eine Nachbesetzungsfrist von sechs Monaten gelte. 

Rechtliche Einordnung

Diese Auffassung überzeugt nicht. Sie lässt wesentliche Argumente der BSG-Rechtsprechung unberücksichtigt und verkennt die praktischen Notwendigkeiten. Die neuen Regelungen im SGB V und der Ärzte-ZV für Viertel-Versorgungsaufträge betreffen

  • das Ruhen, 
  • den Verzicht oder 
  • die Entziehung. 

Vorgaben zur Frist für die Nachbesetzung vakanter Anstellungsgenehmigungen hat der Gesetzgeber gerade nicht getroffen. Auch „häufen“ sich in MVZs vakante Viertel-Stellen nicht derart an, dass sie einen mit halben und ganzen Stellen vergleichbaren bedarfsplanerischen Effekt hätten. Vielmehr gilt es, MVZ auch weiterhin vor dem „Ausbluten“ zu schützen.

Insbesondere ist aber nicht ersichtlich, dass sich die Umstände für die Nachbesetzung einer Viertel-Stelle verbessert hätten. Das Gegenteil dürfte der Fall sein. Der Ärztemangel besteht fort. Zugleich geht der Trend unter den Ärzten aber weiter Richtung Anstellung und Teilzeittätigkeit. So machte zuletzt die KBV auf ihrer Homepage darauf aufmerksam, dass die Zahl der Vertragsärzte und -psychotherapeuten laut Bundesarztregister im Vergleich zum Vorjahr um 2.755 (1,5 Prozent) stieg, der eigentliche Zuwachs angesichts der vielen Teilzeit- und Angestelltenverhältnisse lediglich bei 0,3 Prozent liegt.

Mit der Angestelltentätigkeit ist für viele Ärzte der Wunsch nach geregelteren Arbeitszeiten, einen Fokus auf das Behandeln und die Möglichkeit, das Arbeitspensum an die jeweilige Lebensphase anzupassen, verbunden. Besonderer Beliebtheit dürften sich Modelle wie die „4-Tage-Woche“ oder die „30-Stunden-Woche“ erfreuen. Was für den Arbeitnehmer charmant klingt, stellt den Arbeitgeber oft vor praktische Herausforderungen. Die Akquise von 10-Stunden-Käften ist per se schwer; durch die neue Spruchpraxis einiger Zulassungsausschüsse, Praxen und MVZ für die Nachbesetzung von vakanten Viertel-Stellen nur noch sechs Monate einzuräumen, noch schwerer.

Fazit: Eine aktuelle Entscheidung des BSG zur Nachbesetzungsfrist gibt es noch nicht. Von einer vollständigen Gleichstellung des Viertel-Versorgungsauftrages mit den sonstigen Versorgungsaufträgen kann bisher aber nicht die Rede sein. Hierfür spricht auch, dass weiterhin eine Zulassung mit einem Viertel-Versorgungsauftrag nicht möglich ist. Der Abkehr einiger Zulassungsgremien von der Zwölfmonatsfrist sollte bis zu einer Klärung daher entschlossen entgegengetreten werden. Um böse Überraschungen zu vermeiden, sollte bereits der Bescheid über das (anteilige) Enden einer Anstellungsgenehmigung im Einzelfall auf die „richtige“ Nachbesetzungsfrist geprüft werden.