(Inter-)nationale Augenheilkunde in Homburg – Nachlese des 4. Homburger Hornhauttags

Nach mehrjähriger Pause lud die Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum des Saarlandes am 10.09.2022 zu einer neuen Auflage des Homburger Hornhauttags in das neue Hörsaalgebäude des Universitätsklinikums. Ein Resümee der Veranstaltung von Elias Flockerzi, Loay Daas & Berthold Seitz.

Vorsitz des 4. Homburger Hornhauttages: Prof. Berthold Seitz, Dr. Loay Daas, Dr. Elias Flockerzi; Universitätsaugenklinik Homburg/Saar
Vorsitz des 4. Homburger Hornhauttages: Prof. Berthold Seitz, Dr. Loay Daas, Dr. Elias Flockerzi; Universitätsaugenklinik Homburg/Saar

Da das Modell der Hybrid-Veranstaltung in den vergangenen Jahren während der Covid19-Pandemie stets auch von an der Augenheilkunde Interessierten aus der ganzen Bundesrepublik dankbar angenommen worden war, wurde auch diese Veranstaltung mithilfe der Firma Regiepapst simultan online übertragen und somit einer größeren Zuhörerschaft zugänglich. 

Nach Begrüßung der etwa 100 Anwesenden vor Ort und der circa 200 online zugeschalteten Zuhörerinnen und Zuhörer durch den Direktor der Klinik für Augenheilkunde, Herrn Prof. Dr. Seitz, und den Bürgermeister der Stadt Homburg, Herrn Forster, begann das wissenschaftliche Programm mit einem Vortrag von Herrn Dr. Roth aus Düsseldorf zum Thema Pilzkeratitis. Herr Dr. Roth berichtete von einer insgesamt in den vergangenen Jahren zunehmenden Anzahl an mykotischen Keratitiden, diagnostische und therapeutische Optionen sowie vom aktuellen Stand des von ihm betreuten Deutschen Pilzkeratitis-Registers, an das idealerweise alle Pilzkeratitiden in Deutschland gemeldet werden sollten. 

Im nächsten Beitrag berichtete einer der Ehrengäste, Herr Prof. Dr. Behrens von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore (Vereinigte Staaten von Amerika) über die Option der photodynamischen Therapie infektiöser Keratitiden. Hierbei hätten sich sowohl gegen Bakterien als auch Akanthamöben ermutigende Ergebnisse gezeigt unter Verwendung einer Kombination aus Riboflavin und Wasserstoffperoxid (so genanntes “Bperox“), welche anschließend mit UV-A-Licht bestrahlt wurde. 

Dr. Yaici aus Düsseldorf richtete in seinem Vortrag den Blick auf das okuläre Pemphigoid, eine Oberflächenerkrankung des Auges, welche im Endstadium zu einer Einmauerung des Bulbus mit nur geringer Restbeweglichkeit führen kann (so genannter “frozen globe“) und von derjenigen des Schleimhautpemphigoids mit extraokulären Manifestationsorten unterschieden werden muss.

Frau Privatdozentin Dr. Dietrich-Ntoukas aus Berlin stellte anschließend die okulären Manifestationen einer Graft-versus-Host-Disease vor. Da nahezu bei jedem Patienten mit Graft-versus-Host-disease eine Tränendrüsenbeteiligung vorliegt, ist auch eine okuläre Beteiligung sehr häufig und reicht von 50-80%.

Prof. Dr. Gerd Geerling – Direktor der Universitätsaugenklinik in Düsseldorf, Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft DOG

Ein weiteres Oberflächenproblem des Auges wurde im Vortrag von Prof. Dr. Geerling aus Düsseldorf beleuchtet, der einen Überblick über das Krankheitsbild der neurotrophen Keratopathie gab, welches nicht nur mit rezidivierenden herpetischen Keratitiden, sondern auch mit dem Diabetes mellitus oder neurodegenerativen Erkrankungen wie dem Morbus Alzheimer oder Morbus Parkinson assoziiert ist. 

Herr Prof. Dr. Dr. Fuchsluger aus Rostock berichtete anschließend über den Einsatz von Biomaterialien zur Oberflächenrekonstruktion, darunter experimentelle Arbeiten zur Herstellung eines lamellären Hornhautersatzes aus Nanofasern.

Frau Gabel-Obermaier aus Ebersberg stellte danach das International Ophthalmological Fellowship Foundation (IOFF) vor, ein weltweites Förderprogramm für Augenärztinnen und Augenärzte aus Entwicklungsländern, welches es diesen ermöglicht, für entweder drei oder zwölf Monate in eine teilnehmende Augenklinik zu rotieren, um sich dort gezielt weiterzubilden. 

Nach der kurzweiligen Pause in der Industrieausstellung überbrachte Prof. Dr. Geerling aus Düsseldorf als amtierender Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) ein Grußwort und ging dabei insbesondere auf das Thema Effizienz und Nachhaltigkeit ein, welches auch in der Augenheilkunde angesichts recht hoher Eingriffszahlen deutschlandweit zunehmend an Bedeutung gewinnt. 

Im Anschluss referierte Dr. Mestanoglu aus Köln über die Problematik und Therapieansätze bei kornealen Neovaskularisationen, welche nach Hornhauttransplantationen einen Risikofaktor für Transplantatabstoßungen darstellen können. Als möglicher Therapieansatz wurden sowohl ein prä- als auch ein postoperatives Crosslinking bei der so genannten Hochrisiko-Keratoplastik mit mehr als zwei Quadranten vaskularisierter Hornhaut diskutiert.

Vaskularisationen der Oberfläche sind auch typisch für das Krankheitsbild der kongenitalen Aniridie. Frau Prof. Dr. Szentmáry aus Homburg berichtete von den im Dr. Rolf M. Schwiete Zentrum für Limbusstammzellforschung und kongenitale Aniridie durchgeführten Studien ihrer Arbeitsgruppe zu der Aniridie-assoziierten Keratopathie sowie Genexpressionsmustern bei Aniridie-Patienten, welche schlussendlich zu einem besseren Verständnis dieses komplexen Krankheitsbilds führen können.  

Frau Prof. Dr. Käsmann-Kellner, die seit Jahrzehnten nicht nur die Kinder- und Neuroophthalmologie, sondern auch hochgradig visuell beeinträchtigte Patientinnen und Patienten betreut, ergänzte diese labormedizinische Darstellung um klinische Aspekte zur Behandlung der kongenitalen Aniridie. Sie beschloss ihren Vortrag mit dem Hinweis auf eine geplante Studie zur Myopieprogression bei Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 12 Jahren (mit -4 bis -8 Dioptrien Myopie), welche sich bei zunehmender Kurzsichtigkeit im Universitätsklinikum vorstellen und auf eine Eignung zur Teilnahme an der Studie geprüft werden können (Terminvereinbarung über das Studienbüro der Augenklinik unter 06841-16-21230).

Ein weiterer Ehrengast war Prof. Dr. Borderie aus Paris (Frankreich), der für seinen Vortrag online zugeschaltet wurde und über das weltweit zunehmende Problem der infektiösen Keratitiden berichtete. Neben einer Reihe an Spaltlampenbefunden teils sehr seltener Erreger wurden auch Diagnostik und Therapieempfehlungen kommuniziert.

Der dritte Ehrengast, Herr Prof. Dr. Hjortdal aus Aarhus (Dänemark), widmete seinen Vortrag dem Thema Keratokonus. Die Ätiologie dieser auch in Homburg anhand einiger Studien untersuchten ektatischen Hornhauterkrankung ist nach wie vor ungeklärt. Interessanterweise ergab sich in einer dänischen Prävalenzstudie ein 27% höheres Risiko für Alleinstehende im Vergleich zu in einer Partnerschaft lebenden Menschen. 

Nach einer erneuten kurzen Pause berichtete Dr. E. Flockerzi aus Homburg über die Einführung des Homburger Biomechanischen E-Stagings, welches erstmals eine Schweregradbeurteilung des Keratokonus anhand der kornealen Biomechanik ermöglicht und mittlerweile weltweit verfügbar ist.

Frau Xanthopoulou aus Homburg stellte die gebündelten Verläufe und Ergebnisse bei Keratokonus-Patienten nach kornealem Crosslinking vor. So kommt es innerhalb der ersten sechs bis acht Wochen nach Crosslinking zu einer Pseudoprogression, welche von einer echten Progression abzugrenzen ist. Wurde bislang vom Crosslinking lediglich eine Stabilisation erwartet, deuten ihre Ergebnisse außerdem darauf hin, dass langfristig auch eine Visusverbesserung erwartet werden kann.

Eine ebenfalls stabilisierende Option mit schnellerer Visusverbesserung ist die Implantation intrakornealer Ringsegmente in die Hornhaut. Herr Hamon aus Homburg berichtete über die Indikationsstellung und Ergebnisse von 177 mit solchen Ringsegmenten versorgten Augen.

Eine weitere chirurgische Möglichkeit der Behandlung des Keratokonus stellt die tiefe anteriore lamelläre Keratoplastik (deep anterior lamellar keratoplasty, DALK) dar, welche von Dr. Daas aus Homburg dargestellt wurde. Mithilfe des Excimerlasers durchgeführt kann die DALK unter Erhalt des patienteneigenen Endothels mit der durchgreifenden Hornhauttransplantation vergleichbare Ergebnisse hinsichtlich Visus und Verkrümmung erreichen.

Thema des Vortrags von Frau Privatdozentin Dr. Wacker aus Freiburg war die Endothelschicht der Hornhaut und deren häufigste Erkrankung, die Fuchs’sche endotheliale Hornhautdystrophie. Neben einer Klassifikation der Fuchs’schen endothelialen Hornhautdystrophie basierend auf der optischen Kohärenztomographie des vorderen Augenabschnitts entwickelte ihre Arbeitsgruppe auch ein graphisches Modell, welches Abhebungen der Descemet-Endothel-Lamelle nach posterior lamellärer Hornhauttransplantation graphisch darstellt und somit insbesondere zur postoperativen Verlaufsbeurteilung geeignet ist. 

Herr Prof. Dr. Kruse aus Erlangen ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob bei der Fuchs’schen endothelialen Hornhautdystrophie überhaupt immer ein Transplantat erforderlich ist. Beim so genannten “Descemet Stripping Only (DSO)“ oder der “Descemetorhexis Without Endothelial Keratoplasty (DWEK)“ wird nur eine zentrale Insel des kranken Endothels von 4mm Durchmesser entfernt und anschließend ein Rho-Kinase-Inhibitor getropft mit dem Ziel, gesunde Endothelzellen von der Peripherie dazu anzuregen, ins Zentrum zu migrieren und den Defekt zu bedecken.

Führt man eine posterior lamelläre Keratoplastik durch, besteht ein im Vergleich zur durchgreifenden Hornhauttransplantation geringeres Abstoßungsrisiko. Dieses war Thema des Vortrags von Herrn Prof. Dr. Bachmann aus Köln, der dafür plädierte, die topische Steroidtherapie für mindestens zwei Jahre nach der posterior lamellären Hornhauttransplantation fortzuführen, da ein Absetzen vor dem zweiten Jahr zu einer signifikant höheren Abstoßungsrate führte im Vergleich zu Augen, bei denen im zweiten Jahr weiter getropft worden war. 

Den kurzweiligen Nachmittag beschloss Herr Prof. Dr. Seitz aus Homburg mit einem Übersichtsbeitrag zum Thema der “Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty (DMEK)“, welche seit 2016 die in Deutschland am häufigsten angewendete Hornhauttransplantationstechnik darstellt. Diese kann nicht nur bei der Fuchs’schen endothelialen Hornhautdystrophie, sondern auch bei Haab’schen Striae beim Buphthalmus oder bei der posterior polymorphen Dystrophie nach Schlichting angewendet werden und stellt eine Operationstechnik mit exzellenten Ergebnissen hinsichtlich Geschwindigkeit und Qualität der Visusrehabilitation dar. 

Die Autoren und Veranstalter danken allen im Vorder- und Hintergrund tätigen Helferinnen und Helfern sowie Sponsoren, die zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben. Interessierten, die zum Veranstaltungstermin verhindert waren, sei die Webseite der Klinik für Augenheilkunde in Homburg nahegelegt – hier finden Sie eine Aufzeichnung sämtlicher Vorträge zum Nachhören.

Referentinnen und Referenten des 4. Homburger Hornhauttags 2022 (von links nach rechts): Prof. Dr. Szentmáry (Homburg), Dr. Mestanoglu (Köln), PD Dr. Wacker (Freiburg), Prof. Dr. Bachmann (Köln), Dr. E. Flockerzi (Homburg), Prof. Dr. Käsmann-Kellner (Homburg), Prof. Dr. Seitz (Homburg), Prof. Dr. Kruse (Erlangen), Dr. Daas (Homburg), Gabel-Obermaier (Ebersberg), Hamon (Homburg), Dr. Yaïci (Düsseldorf), Prof. Dr. Hjortdal (Aarhus, Dänemark), PD Dr. Dietrich-Ntoukas (Berlin)