„Viele Senioren haben den Wunsch, brillenfrei zu sein“ – Prof. Maya Müller über Korrekturmöglichkeiten der Presbyopie

Zur Korrektur der Presbyopie stehen heutzutage verschiedene Methoden zur Verfügung. Prof. Dr. Maya Müller über Vor- und Nachteile dieser Varianten, warum PresbyLaser und Sehtraining zur Verbesserung des Nahsehens aus Expertensicht nicht in Frage kommen und wie die neuen Augentropfen funktionieren, die in den USA gegen Alterssichtigkeit zugelassen wurden.

©IROC, Zürich
©IROC, Zürich

Schwierigkeiten, ein Buch oder eine SMS zu lesen, stellen sich ab Mitte vierzig ein. Lese- oder Gleitsichtbrillen können diese Alterssichtigkeit korrigieren, herausnehmbare Kontaktlinsen ebenfalls. „Viele haben aber den Wunsch, brillen- und kontaktlinsenfrei zu sein“, berichtet Professorin Dr. med. Maya Müller. Dies gilt auch für den Fall, dass zwischen dem 60. und 75. Lebensjahr eine Katarakt einsetzt und ein operativer Linsentausch notwendig wird. „Viele Senioren und Seniorinnen wollen heute reisen und mit dem Handy unterwegs sein. Sehhilfen stören da häufig“, ergänzt die Ärztliche Direktorin des Instituts für Refraktive und Ophthalmo-Chirurgie (IROC) in Zürich. Allerdings könne nicht jeder Person der Wunsch nach Brillenfreiheit erfüllt werden. „Welche Ziele realistisch sind und welche Vor- oder Nachteile sich ergeben, muss in einer ausführlichen Beratung geklärt werden“, betont die Expertin.

Grundsätzlich stehen verschiedene Methoden zur Korrektur der Presbyopie zur Wahl. Ein vergleichsweise kostengünstiger Eingriff, der weitestgehende Brillenfreiheit ermöglichen kann, ist die Monovision – sofern sich die Patient*innen dafür eignen. Bei der Monovisions-Operation wird ein Auge auf Kurzsichtigkeit eingestellt, sodass man lesen kann; das andere Auge sieht in der Ferne scharf. „Unser Gehirn wählt automatisch das jeweils passende Bild aus“, erläutert Müller. „Allerdings sollte vor einem Eingriff unbedingt mit Kontaktlinsen getestet werden, ob die Patientinnen und Patienten damit klarkommen.“ Das sind nach Schätzung der Schweizer Expertin etwa 60 Prozent.

Option auf Linsentausch bei Katarakt bleibt erhalten

Die Monovision kann mit Laser oder auch mit Implantaten herbeigeführt werden. Beim Lasern werden die Hornhäute so abgetragen und bearbeitet, dass ein Auge die Nahsicht übernimmt, das andere die Fernsicht. Wichtig zu wissen: Trotz der veränderten Hornhäute können die Augenspezialist*innen später noch Kunstlinsen einsetzen, sollte sich ein Grauer Star entwickeln. „Die beiden durch das Lasern veränderten Sehstärken übertragen wir dann in die Kunstlinsen-Berechnung, dafür gibt es spezielle Formeln“, erklärt DOG-Expertin Müller.

Ähnliches gilt, wenn die Monovision erreicht wird, indem die Augenchirurginnen und -chirurgen zusätzlich phake (Presbyopie-) Implantate vor die natürliche Linse setzen. „Trüben sich später die natürlichen Linsen durch den Grauen Star ein, können die Kontaktlinsen-Implantate wieder entfernt und die trüben Linsen dahinter durch eine Kunstlinse getauscht werden“, so Müller. Nachteil dieser Methode: Phake Implantate funktionieren meist nur für eine begrenzte Zeit. Schreitet die Alterssichtigkeit fort, werden die Arme wieder zu kurz und die Sicht wieder unscharf. „Dann muss eine Lesehilfe her oder doch eine weitere Operation“, erläutert die DOG-Expertin.

Multifokallinsen plus Nachlasern

Eine weitere Variante, die Presbyopie zu korrigieren, stellen trifokale Multifokallinsen dar. Diese Art der Kunstlinse ersetzt nach einem ambulanten Eingriff dauerhaft die körpereigene Linse und kann Fehlsichtigkeiten auf allen drei Sehdistanzen korrigieren – nah, mittel und fern. „Dafür müssen aber gute Ausgangsbedingungen vorliegen“, erläutert Maya Müller. Sollten nicht korrigierbare Unregelmäßigkeiten der Hornhaut oder Netzhauterkrankungen an der Stelle des schärfsten Sehens bestehen, sei es besser, von multifokalen Kunstlinsen abzuraten. „Weitere wichtige Voraussetzungen sind der Wunsch, ohne Brille leben zu wollen, und eine realistische Erwartungshaltung der Patient*innen, welche Sehverbesserung erreicht werden kann“, betont Müller.

Denn Multifokallinsen können die Blendungsempfindlichkeit des Auges in der Dunkelheit erhöhen und das Kontrastsehen reduzieren, vor allem aber Halos produzieren. In wenigen Fällen werden Multifokallinsen auch nicht vertragen und müssen ausgetauscht werden. „Das sollten die Patientinnen und Patienten im Vorfeld wissen“, sagt die Schweizer DOG-Expertin. Zum anderen kann trotz Linsenimplantation ein Nachlasern erforderlich werden. Der Grund: Im Rahmen des Abheilungsprozesses kann eine geringe Fehlsichtigkeit verbleiben. „Diese leichte Abweichung kann man durch ein Feintuning mit dem Laser beseitigen“, so Müller. Die Einrichtung, die die Linsenimplantation vornimmt, sollte daher idealerweise auch ein Nachlasern anbieten.

PresbyLaser verwirkt späteren Linsentausch

Von einer alleinigen Laserbehandlung der Hornhaut zur Korrektur der Presbyopie, dem sogenannten „PresbyLaser“, rät die DOG-Expertin ebenso wie die Kommission Refraktive Chirurgie (KRC) der DOG ab. „Bei dieser relativ neuen Methode werden multifokale Muster in die Hornhaut gelasert, um die Nahsicht zu verbessern“, erläutert Maya Müller. Das Verfahren sei noch nicht etabliert und weise große Nachteile auf. „Der Eingriff ist nicht rückgängig zu machen, und die Möglichkeit einer späteren Implantation von multifokalen Linsen zur Therapie des Grauen Stars ist auch nicht mehr gegeben“, gibt die Ophthalmologin aus Zürich zu bedenken.

Keine verlässlichen Studien zum Sehtraining

Einen positiven Effekt auf die Alterssichtigkeit sprechen die Ophthalmologinnen und Ophthalmologen dem Sehtraining ab – dabei handelt es sich um Übungen zur Verbesserung der Nahsicht, um Akkommodationsübungen. „Dazu gibt es keine verlässlichen Studien“, stellt Müller fest. Die DOG-Expertin hat jedoch eine Erklärung für subjektiv empfundene Verbesserungen durch ein Sehtraining. „Der beginnende Graue Star kann über die Jahre hinweg leicht kurzsichtig machen“, so Müller. „Diese Kurzsichtigkeit hat einen positiven Effekt auf die Lesefähigkeit. Die Betroffenen könnten denken, es wäre das Training gewesen.“

Augentropfen spiegeln Bedarf an nicht-chirurgischen Lösungen

Hoffnungen ruhen derweil auf Augentropfen, die vor Kurzem in den USA gegen die Alterssichtigkeit zugelassen worden sind. „Bei dem Präparat handelt es sich um ein verdünntes Glaukom-Medikament, das die Pupille verengt und so die Nahsicht verbessert“, erläutert Müller. Die Tropfen eignen sich am besten im Alter zwischen 40 und 55 Jahren, ihre Wirkung soll mindestens sechs Stunden anhalten. Als Nebenwirkung können Kopfschmerzen auftreten, Autofahren im Dunkeln ist untersagt. 30 Tage Tropfen, die auf Rezept erhältlich sind, kosten etwa 80 Dollar. In Deutschland sind die Tropfen gegen Alterssichtigkeit noch nicht zugelassen.

„Die Tropfen zeigen, dass jenseits von Lesebrille und chirurgischen Eingriffen ein großer Bedarf an weiteren Korrekturmöglichkeiten für die Alterssichtigkeit besteht“, sagt Maya Müller. „Das dürfte noch spannend werden.“

Quelle: DOG

Symposium Reduzierte Brillenabhängigkeit - die richtige Option finden beim Patienten mit Altersweitsichtigkeit
DOG, Saal Donders, Freitag, 30. September, 15:00 - 16:15
Panel
Gerd Auffarth (Heidelberg)
Daniel Kook (Gräfelfing)
Ramin Khoramnia (Heidelberg)
Thomas Kohnen (Frankfurt/Main)
Wolfgang J. Mayer (München)