Krebsdiagnostik am Auge: Schonende Suche nach Tumorspuren mit Flüssigbiopsie

Tumoren im Inneren des Auges stellen eine besondere Herausforderung dar. Die Entnahme von Gewebeproben zur genaueren Charakterisierung der schwer zugänglichen Tumorherde ist immer mit großen Belastungen verbunden. Die Flüssigbiopsie wäre eine schonendere Alternative.

Bild: Kothari P et al. Cancer Medicine (2020) / Siravegna G et al. Nature Reviews (2017)
Bild: Kothari P et al. Cancer Medicine (2020) / Siravegna G et al. Nature Reviews (2017)

Die beiden häufigsten bösartigen Tumoren des Augeninneren sind das von Netzhautzellen ausgehende Retinoblastom und das Aderhautmelanom, bei dem die pigmentierten Zellen der unterhalb der Netzhaut gelegenen Aderhaut zu wuchern beginnen. „Bei beiden Erkrankungen wäre es ausgesprochen hilfreich, auf schonende Weise Informationen über die genetischen Besonderheiten des individuellen Tumors zu erhalten“, sagt Professor Dr. med. Dr. h.c. Nikolaos E. Bechrakis, Direktor der Universitäts-Augenklinik Essen. 

Mithilfe eines solchen genetischen Fingerabdrucks ließen sich wichtige Tumoreigenschaften bestimmen und die Therapie besser planen. Darüber hinaus mache der Nachweis – oder auch das Fehlen – tumoreigener DNA es möglich, den Krankheitsverlauf und die Wirksamkeit der Therapie zu beurteilen. „Besonders nach zunächst erfolgreicher Therapie bietet die Flüssigbiopsie die Chance, eine mögliche Rückkehr der Erkrankung frühzeitig zu erkennen und rasch darauf zu reagieren“, erklärt Bechrakis.

Bereits vor etlichen Jahren konnte in klinischen Studien gezeigt werden, dass für die genetische Untersuchung von Augentumoren nicht unbedingt eine Gewebeprobe direkt aus der Geschwulst notwendig ist. Vielmehr lässt sich Tumormaterial – das gilt für Proteine ebenso wie für freie Tumor-DNA – auch aus der viel leichter erreichbaren vorderen Augenkammer oder dem Glaskörper des Auges gewinnen. „Die Beprobung solcher Flüssigkeitsräume wird als Flüssigbiopsie bezeichnet“, erläutert Bechrakis.

Tumorspezifische DNA in Blutproben

Weil allerdings auch hierbei das Auge punktiert werden muss, sei zusätzlich auch die Flüssigbiopsie aus dem in den Adern zirkulierenden Blut untersucht worden. In der Essener Universitäts-Augenklinik haben Bechrakis und sein Team hierzu umfangreiche Studien unternommen – mit Erfolg. „Bei Patientinnen und Patienten mit Aderhautmelanom konnten wir mit großer Zuverlässigkeit tumorspezifische DNA in Blutproben nachweisen“, berichtet der DOG-Experte.

Von besonderer Bedeutung sei dies für die Früherkennung von Metastasen. „Bei Patientinnen und Patienten, die nach der Entfernung des Primärtumors Metastasen entwickelten, ist das DNA-Signal im Blut bereits zwei bis zehn Monate vor dem Nachweis von Leber-Metastasen durch einen Ultraschall oder eine Magnetresonanztomografie des Oberbauches sichtbar gewesen“, erklärt Bechrakis. Mit hochmodernen Geräten und sehr hoher Detektionsempfindlichkeit lassen sich hier 96 Prozent aller durch Metastasen erkrankten Personen zuverlässig erkennen („Sensitivität“) und 80 Prozent aller nicht metastasierten Personen korrekt als nicht erkrankt einstufen („Spezifität“). Auch beim Retinoblastom ist es möglich, Tumor-DNA per Flüssigbiopsie sowohl in der vorderen Augenkammer als auch im Blut festzustellen. „Hier geht es derzeit noch darum, die Sensitivität und Spezifität des Verfahrens zu evaluieren“, sagt Bechrakis.

Mit zunehmender Nachweisempfindlichkeit rückt auch die Möglichkeit einer vorgeburtlichen Diagnostik in greifbare Nähe – denn als frühkindlicher Tumor betrifft das Retinoblastom hauptsächlich Säuglinge und Kleinkinder. „Prinzipiell ist es denkbar, eine Tumorerkrankung des Embryos aus einer einfachen Blutprobe der Mutter zu erkennen“, so Bechrakis. Diese Hürde sei bislang aber weder technisch genommen, noch seien die damit verbundenen ethischen und rechtlichen Fragen geklärt.

Quelle: DOG