Neue Gentherapie soll Krankheitsverlauf der Progressiven Supranukleären Blickparese lindern

Die Progressive Supranukleäre Blickparese (PSP) ist eine neurodegenerative Erkrankung. Sie geht mit einer progredienten Destruktion von Neuronen im Bereich der Basalganglien einher. Die Betroffenen bemerken eine Einschränkung ihrer Augenbewegungen und klagen häufig über Sehschwäche oder Doppelbilder. Beim Lesen fällt ihnen das Bewegen der Augen über die Zeile schwer. Aus diesem Grund wird zu Beginn der Erkrankung häufig ein Augenarzt aufgesucht.

© Robina Weermeijer / unsplash
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Eine aktuelle Studie untersucht die Verträglichkeit und Wirksamkeit einer neuartigen Therapietechnik zur Behandlung der PSP. Mit dem Ziel, das Fortschreiten dieser Erkrankung des Nervensystems zu verlangsamen, wird ein kurzes Stück Nukleinsäure in das Nervenwasser verabreicht. Sie soll in den betroffenen Hirnzellen dem krankheitsauslösenden Protein entgegenwirken. Der erste Patient hat bereits im Frühjahr die erste Injektion erhalten, weitere Studienteilnehmende können aufgenommen werden. Die Phase-1-Studie wird von Professor Dr. Thomas Gasser und PD Dr. Kathrin Brockmann am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und der Neurologischen Universitätsklinik Tübingen geleitet.

Die PSP ist eine seltene, aber schwer verlaufende Erkrankung. Ihre häufigste Form ist das Richardson-Syndrom, das sich in Stürzen, instabiler Körperhaltung und einer Blicklähmung äußert. Mitauslöser ist das Protein „Tau“, welches sich in Nervenzellen ansammelt und verklumpt. Die schädlichen Proteinklumpen führen zum Tod der betroffenen Zellen – und damit zu den neurologischen Symptomen.

„Mit einem kleinen Stück Nukleinsäure, dem sogenannten Antisense-Olignukleotid oder ASO, wollen wir die Bildung des schädlichen Tau-Proteins vermindern“, erklärt Neurologin PD Dr. Kathrin Brockmann. „Das ASO ist ähnlich wie ein mRNA-Impfstoff aus Nukleinsäuren aufgebaut. Damit der Wirkstoff direkt die Zellen im Gehirn erreicht, verabreichen wir ihn in den Nervenwasserkanal am Rücken.“

In den Nervenzellen greift der ASO-Wirkstoff gezielt in den Prozess der Tau-Bildung ein, indem es an eine bestimmte Stelle andockt. Durch die Bindung wird die Umsetzung der genetischen Information in das schädlichen Tau-Protein reduziert. „Wir hoffen, dass wir auf diese Weise das fortschreitende Absterben der Nervenzellen aufhalten und so den Krankheitsverlauf verlangsamen können.“

Ziel der aktuellen Phase-1-Studie zur Antisense-Oligonukleotid-Therapie ist, die Verträglichkeit und Wirksamkeit der neuartigen ASO-Therapie zu untersuchen. „Sollte sich die Behandlung als erfolgreich erweisen und den Krankheitsverlauf lindern, könnten ASO-Therapeutika auch für andere neurodegenerative Erkrankungen relevant werden, bei denen das Tau-Protein in Nervenzellen verklumpt“, sagt Studienleiter Professor Dr. Thomas Gasser. Dies sei etwa bei der Alzheimer-Erkrankung oder der Frontotemporalen Demenz der Fall.

Die aktuelle Studie wurde von der Novartis AG bei der Neurologischen Universitätsklinik aufgrund deren besonderer Expertise für diese Krankheitsbilder in Auftrag gegeben und wird von der Medizinischen Fakultät begrüßt und unterstützt. Im März 2022 hat der erste Patient in Tübingen die erste Injektion erhalten und bislang gut vertragen. In den kommenden Monaten werden weitere Studienteilnehmende aufgenommen. Interessierte Patientinnen und Patienten können sich noch anmelden.

Studienteilnehmende gesucht

An der Studie können erwachsene Personen zwischen 40 und 75 Jahren teilnehmen, die innerhalb der letzten fünf Jahre mit dem Richardson-Syndrom (PDP-RS) diagnostiziert wurden. Voraussetzung ist, dass sie in der Lage sind, sich selbständig zu bewegen oder mindestens fünf Schritte mit minimaler Hilfe zu gehen. Ausschlusskriterien umfassen die Einnahme von Blutverdünnern, wie etwa Marcumar, oder ein früherer Schlaganfall. Weitere Kriterien zur Studienteilnahme werden vor Beginn der Therapie überprüft. Interessierte Patientinnen und Patienten, Angehörige, sowie Ärztinnen und Ärzte können sich ab sofort unter der Telefonnummer 07071 29- 80446 oder per E-Mail bei Gabriela Ragusa (gabriela.ragusa@med.uni-tuebingen.de) oder Franca Fries (franca.fries@med.uni-tuebingen.de) melden.

Weitere Informationen:

Hertie-Institut für klinische Hirnforschung

Universitätsklinikum Tübingen