Hoffnungsschimmer: Erste Medikamente gegen trockene AMD in Sicht

Zum Thema Behandlungsmöglichkeiten der trockenen Spätform der AMD gab es bislang nur wenig gute Nachrichten. Doch jetzt besteht Grund zu vorsichtigem Optimismus. Auf dem DOC-Kongress berichteten internationale Augenspezialisten über den aktuellen Stand ihrer Forschungsprojekte

trockene AMD. Foto © Prof. Dr. H. Busse, Universitätsklinikum Münster / BVA
trockene AMD. Foto © Prof. Dr. H. Busse, Universitätsklinikum Münster / BVA

„Gerade bei der Therapie der trockenen AMD wird sehr intensiv geforscht, weil besonders viele Patienten davon betroffen sind. Derzeit werden weltweit etwa 80 verschiedene Wirkstoffe und Techniken genauer auf ihre Wirkung untersucht.“ Das erklärte Augenarzt und Kongresspräsident Dr. Armin Scharrer (Fürth) auf dem 34. Internationalen Kongress der Deutschen Augenchirurgen (DOC), der vom 23. bis 25. Juni in Nürnberg stattfand

Dazu gehören unter anderem neue Antikörperpräparate, neuroprotektive Substanzen, Gentherapien, Stammzellverfahren und Verpflanzungen von Netzhautgewebe.

Als besonders aussichtsreich haben sich bisher zwei Wirkstoffe herauskristallisiert. Die beiden Wirkstoffe Pegcetacoplan (APL-2) und Avacincaptad Pegol wirken gegen eine bestimmte Form der trockenen AMD, die geographische Atrophie. Diese Form macht etwa ein Drittel aller Fälle mit AMD-Spätstadien aus.

Die beiden Wirkstoffe greifen in das sogenannte Komplementsystem ein – einen wichtigen Teil des menschlichen Immunsystems. Das Komplementsystem ist ein System von Plasmaproteinen, das im Zuge der Immunantwort auf zahlreichen Oberflächen von Mikroorganismen aktiviert werden kann. Die mehr als 30 Proteine des Komplementsystems sind im Blutplasma gelöst oder zellgebunden. Sie wehren Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze, Parasiten ab, haben jedoch auch stark zellzerstörende Eigenschaften. Wenn sie unreguliert wirken, können sie für Gewebsschäden verantwortlich sein. Diese irrtümlich ausgelösten Gewebsschäden treten nicht nur bei Rheuma, Nierenentzündungen oder Herzinfarkt auf, sondern auch bei AMD.

Avacincaptad Pegol hemmt den Faktor C5 des Komplementsystems und kann dadurch schädliche Entzündungsreaktionen an Netzhautgewebe und die Zerstörung von Netzhautzellen verhindern oder verlangsamen. Pegcetacoplan bremst dagegen den Faktor C3 des Komplementsystem und ruft ähnliche Wirkungen hervor. 

Beide Präparate haben sich in den bisher gelaufenen Phase-1- und Phase-2-Studien als erfolgreich erwiesen. Doch jetzt zeigen sogar Phase-3-Studien positive Ergebnisse. Das gab es bislang nicht bei der AMD. Die bisher vorliegenden Daten der laufenden Phase-3-Studien mit vielen hundert Patienten an über hundert Zentren, darunter auch mehrere deutsche Augenkliniken, sind jedenfalls vielversprechend. Je nach Dosierung und Häufigkeit der Anwendung konnte das Fortschreiten der AMD-Spätstadien um etwa 27 Prozent bzw. 29 Prozent reduziert werden. 

Bei Pegcetacoplan konnten positive und klinisch relevante Ergebnisse bereits für die ersten 18 Behandlungs-Monate nachgewiesen werden. Das weckt Hoffnungen auch auf einen langfristigen Therapieerfolg. Deshalb soll für diesen Wirkstoff noch im Laufe dieses Jahres ein Antrag auf eine beschleunigte Zulassung bei der US-Gesundheitsbehörde FDA gestellt werden.

„Allerdings“, gibt Dr. Scharrer zu bedenken, „bleibt abzuwarten, ob sich diese neuen Therapien im Falle einer Zulassung auch langfristig durchsetzen können. Denn im Rahmen der laufenden Studien wurden bei bestimmten Patientengruppen auch Nebenwirklungen festgestellt, wie zum Beispiel das Auftreten einer feuchten AMD. Es wird möglicherweise darauf ankommen, vor einer Therapie herauszufinden, welche AMD-Patienten dafür auch geeignet sind und bei welchen die Risiken für das Auftreten von Nebenwirkungen hoch oder niedrig liegen. Wir sind zwar vorsichtig optimistisch, doch für eine Euphorie ist es noch zu früh.“

Ebenfalls vorsichtig optimistisch sehen die Augenchirurgen erste Ergebnisse bei Patienten, denen ein bionischer Netzhautchip eingepflanzt wird. Dr. Scharrer: „Der Chip wird unter die Makula implantiert und ersetzt dort durch elektrische Impulse die abgestorbenen Sinneszellen. Damit soll den Patienten wieder ein unabhängigeres Leben ermöglicht werden.“

Im Rahmen der Europäischen PRIMAvera-Zulassungsstudie erfolgten Erstimplantationen des nur 4 mm² großen und 30µm dünnen Chips auch an den sechs deutschen Augenkliniken Ludwigshafen, Bonn, Hamburg, München, Sulzbach und Tübingen.

Doch auch hier warnt Dr. Scharrer vor zu hohen Erwartungen: „Der Chip soll das Sehvermögen lediglich in einem gewissen Maß wiederherstellen. Er ermöglicht den Patienten also bestenfalls eine geringe Auflösung und ein orientierendes Sehen. Hier bleibt abzuwarten, ob dieser Zuwachs an Seh-Eindrücken größer ist als das geringe Rest-Sehvermögen, das AMD-Patienten im Endzustand ohnehin noch besitzen. Denn bei ihnen funktioniert die Netzhaut ja zumindest noch in den Bereichen außerhalb der geschädigten Makula. Sie haben zwar ihre zentrale Sehschärfe verloren. Aber sie können in der Regel wenigstens noch Randbereiche, grobe Umrisse und Hell-Dunkel-Kontraste erkennen. Es wird sich zeigen, ob der bionische Netzhaut-Chip hier relevante Verbesserungen bringen kann.“

Quelle: DOC