Elektronische Patientenakte (ePA) geht an den Start

Vor mehr als 15 Jahren wurde das Projekt „Elektronische Patientenakte“ auf den Weg gebracht. Dieses Jahr ist es endlich soweit: Die ePA wird konkret umgesetzt. Seit Jahresbeginn laufen lokale Tests. Und ab Juli kommt die ePA im gesamten Bundesgebiet zum Einsatz. Ärzte sind dann verpflichtet, die digitalen Akten zu befüllen – sofern es die Versicherten wünschen.

©Adobe Stock
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Auch das Gesundheitssystem wird immer stärker von der Digitalisierung geprägt. Im Rahmen der E-Health-Strategie werden moderne Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt, um medizinische Informationen elektronisch zu verarbeiten und auszutauschen. Das Ziel: Die Versorgung der Patientinnen und Patienten soll optimiert werden. Möglich macht das die Telematikinfrastruktur (TI). Diese Datenautobahn vernetzt alle Akteure des deutschen Gesundheitswesens und verspricht einen sicheren Austausch sensibler medizinischer Informationen. Dazu zählen auch die Daten, die in der neuen elektronischen Patientenakte (ePA) gespeichert werden.

Gebündelte medizinische Informationen

Die elektronische Patientenakte bündelt Daten, die bisher auf verschiedene Praxen und Krankenhäuser verteilt waren. Damit liegen den Patienten, die sich dazu entscheiden, die ePA für sich zu nutzen, alle relevanten medizinischen Informationen auf einen Blick vor. Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte und Medikationspläne – all das können sie dann ihren Ärzten, aber auch Therapeuten und Apothekern, zur Verfügung stellen. Die ePA dient als lebenslange Informationsquelle, die jederzeit einen schnellen und sicheren Austausch der Daten ermöglicht. Anlage und Nutzung der digitalen Akte sind freiwillig.

Die Ausgabe der ePA hat begonnen

Seit Jahresbeginn ist die Gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet, ihren 70 Millionen Versicherten eine elektronische Patientenakte anzubieten. In der Privaten Krankenversicherung beginnt die Nutzung der ePA dagegen erst mit dem 1. Januar 2022. Zum Start stellen die gesetzlichen Kassen ihren Versicherten eine kostenfreie App zur Verfügung. Über Smartphone oder Tablet ermöglicht diese App den selbstständigen Zugang zur persönlichen ePA. Hier können die Versicherten eingescannte medizinische Unterlagen wie Befunde oder Arztbriefe speichern. Allerdings legt jede Kasse individuell fest, welche ePA-Variante sie ihren Versicherten anbietet. Deshalb unterscheiden sich die einzelnen Akten in puncto Aussehen und Funktionalität.

Parallel dazu wird die digitale Akte zurzeit in ausgewählten Praxen in Berlin und Westfalen-Lippe getestet. Im Laufe des zweiten Quartals wird die ePA mit den rund 200.000 niedergelassenen Ärzten, Zahnärzten, Therapeuten und Apotheken verbunden. Bis zum 1. Juli 2021 müssen laut Gesetz alle vertragsärztlich tätigen Leistungserbringer in der Lage sein, die ePA mit Hilfe ihres Praxisverwaltungssystems (PVS) zu nutzen und zu befüllen. Andernfalls droht eine Kürzung der Vergütung um ein Prozent.

Ambitionierter Zeitplan

Der Zeitplan für die flächendeckende Einführung ist durchaus ambitioniert, denn für die ePA ist der E-Health-Konnektor nicht ausreichend. Ein weiteres Software-Update auf den sogenannten ePA-Konnektor ist erforderlich.
Aller Voraussicht nach werden erst im zweiten Quartal 2021 die ersten von der Gematik zugelassenen Software-Updates zur Verfügung stehen. Neben einem elektronischen Heilberufsausweis benötigen Praxen ein ePA-Modul für ihr Praxisverwaltungssystem, das eine komfortable Übertragung der Daten gewährleisten soll. Diese ePA-Module werden ebenfalls durch die Gematik bestätigt. Eine Erstattung der Technikkosten für diese Komponenten ist im Rahmen der TI-Finanzierung geplant.

Vergütung wird noch verhandelt

Für die Erstbefüllung der ePA erhalten Ärzte eine Vergütung in Höhe von zehn Euro. Dabei geht es ausschließlich um Dokumente aus dem aktuellen Behandlungskontext. Zur genauen Ausgestaltung dieser Erstbefüllung wird momentan eine Vereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband, Deutscher Krankenhausgesellschaft, Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung und KBV erarbeitet. Die Vergütung weiterer ärztlicher Leistungen im Zusammenhang mit der ePA verhandelt die KBV derzeit mit den Krankenkassen im Bewertungsausschuss.

Datenhoheit bei den Patienten

Die Patienten entscheiden selbst, welche Informationen sie in ihrer ePA speichern. Per App können sie ihre Akte jederzeit selbstständig einsehen, befüllen oder Inhalte löschen. Behandelnde Ärzte können deshalb nicht von einer vollständigen Akte ausgehen. 
Ärzte benötigen die Einwilligung der Patienten, um auf die Daten zuzugreifen. Dabei wird jeder Zugriff protokolliert. Über die App können die Nutzer jeder einzelnen Praxis individuell die Berechtigungen für den Zugriff auf die ePA erteilen. Ab 2022 soll es möglich sein, den Zugriff auf jedes gespeicherte Dokument einzeln festzulegen. Versicherte, die die ePA nicht über eine App verwalten können, haben die Möglichkeit, ihre Daten in der Praxis mittels elektronischer Gesundheitskarte und Patienten-PIN freizugeben.

Sicherheit

Persönliche medizinische Daten sind äußerst sensibel. Es gilt, sie bestmöglich gegen illegale Zugriffe zu schützen. Darauf müssen sich Patienten und Ärzte verlassen können. Doch nun haben etwa Medienberichte über einen Hackerangriff in Finnland für Verunsicherung gesorgt. Dabei wurden zehntausende vertraulicher Datensätze eines Psychotherapieanbieters gestohlen, um den Anbieter, aber auch Patienten zu erpressen. 
Außerdem formulierten Datenschützer immer wieder Bedenken gegen die Telematikinfrastruktur und die elektronische Patientenakte. Und die Tagesschau berichtete noch im November über Sicherheitslücken bei den TI-Konnektoren. Doch der Gematik-Sicherheitschef Holm Diening unterstreicht, dass bei der langjährigen Entwicklung der ePA immer wieder auch mit unabhängigen Gutachtern und Experten zusammengearbeitet wurde, um die Sicherheit des Systems weiter zu optimieren. Er sei davon überzeugt, so Diening kürzlich in einem Interview, dass die „elektronische Patientenakte in Deutschland auf einem Sicherheitsniveau startet, das andere Aktenlösungen im europäischen Vergleich übertrifft.“ Bleibt zu hoffen, dass er mit dieser Einschätzung Recht behält.

EYEFOX-Redaktion/Achim Drucks 
unter Verwendung von Material der KBV