Schwierige Zeiten, was jetzt zählt

Es sind schwierige Zeiten, aber wir arbeiten in einem der wichtigsten Bereiche: Der Medizin und im Besonderen in der Augenheilkunde. Menschen zu helfen wieder gut sehen zu können, ist eine befriedigende und großartige Aufgabe. Aktuell sind wir alle ausgebremst worden. Aber warum?

Barbara Diesing - Chefredaktion EYEFOX UG
Barbara Diesing - Chefredaktion EYEFOX UG

Es gibt einen Virus SARS-CoV-2, das ansteckender ist als viele Viren die bisher bekannt waren. Es kann u.a. zu schweren Atemwegsproblemen führen bis hin zum Tod. Ich denke, das haben wir alle verstanden.

Aber wie gehen wir nun damit um?

Seit 20 Jahren bin ich nun schon im Bereich der Medizin tätig und habe auch persönlich immer wieder erfahren, dass Therapien nicht um der Therapien wegen durchgeführt werden, sondern nach sorgsamer Abwägung zwischen dem Nutzten für den Patienten und möglichen Nebenwirkungen und deren Folgen. Hierbei spielen auch immer wieder Überlegungen zur Nutzung von Ressourcen eine Rolle. So funktioniert unser Gesundheitssystem und das ist eines der besten der Welt.

In den vergangenen Wochen haben wir alle Entscheidungen erlebt, die menschlich richtig waren. Ganz bestimmt waren sie auch wohlüberlegt, denn schnelles Handeln war gefragt.

Doch nun sind wir an einem Punkt, wo sich die erste Aufregung gelegt hat und wir zu unserem großen Glück in Deutschland nicht tausende von Toten zu verzeichnen haben und unser Gesundheitssystem tagesaktuell nicht überlastet ist.

Nun erwarten wir, dass die Wissenschaft ihre Arbeit macht, denn bei allem was bisher geschehen ist, arbeitet das Land auf einer Datenbasis die wir teilweise und/oder nur schwer nachvollziehen können.

Wie sehen aktuell die Fakten aus?

Wir zählen täglich Infizierte aber nicht, ob die auch tatsächlich erkrankt sind. Wir bauen Intensivstationen und Beatmungskapazitäten auf, obwohl wir nicht wissen wie viele Infizierte tatsächlich erkrankt sind und wie viel Prozent der Erkrankten beatmet werden müssen. Unter Einrechung einer hoffentlich hohen Dunkelziffer wird sich, nach der Erforschung dieser Dunkelziffer, sicherlich eine deutliche Relativierung der bisher bekannten Fallzahlen in jeder Hinsicht ergeben.

Aktuell hat Herr Prof. Streeck das größte Potential unser ganz persönlicher Held zu werden. In einem schwierigen Umfeld ist er dabei, die richtigen und notwendigen Daten zu erheben, um dann vermutlich auch die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Es sterben Menschen und es werden auch weiter Menschen sterben, das ist der den Medizinern bestens vertraute und natürliche Kreislauf des Lebens. Jetzt geht es darum die Zahlen hierzu richtig zu erheben und zu interpretieren, z.B. welche Bevölkerungsgruppen sterben und warum?

Da es sehr viele unterschiedliche Zahlen gibt und man immer nur der Statistik glaubt die man selbst erstellt hat, möchten wir nicht die Grippefälle heranziehen. Diese Vergleiche erfolgten bereits. Darüber lässt sich vortrefflich streiten. Wir legen hier den Fokus auf Lungenentzündungen, denn hier gibt es valide Zahlen.

Dazu ziehen wir die aktuell verfügbaren Daten des statistischen Bundesamtes für das 2017 heran, die Vorjahre sind vergleichbar und damit sicher auch die Folgejahre.

Die aktuell große Angst ist, dass die Beatmungskapazitäten bei einer großen Zahl von Erkrankten nicht ausreichen könnten für Patienten mit eingeschränkter Lungenfunktion. Dabei hilft ein Blick in die Vergangenheit. In 2017 sind ca. 350.000 Menschen in Deutschland stationär an Lungenentzündungen behandelt worden, insgesamt sind davon ca. 39.000 gestorben. Das sind Zahlen des statistischen Bundesamtes.

Hier die Tabelle:

Quelle statistisches Bundesamt: für 2017
Bundesauswertung DRG-Statistik 2017
Hauptdiagnose Pneumonie Anteil Todesfälle Anteil Todesfälle in %
Lungenentzündung (Pneumonie)     351.645 39.581 11,3 %
Hauptdiagnose Pneumonie,          
  davon Pneumonie, Altersgruppe < 20, 42.597 92 0,2%
  davon Pneumonie, Altersgruppe 20-44, 17.042 269 1,6%
  davon Pneumonie, Altersgruppe 45-64, 49.065 2.816 5,7%
  davon Pneumonie, Altersgruppe 65-84, 162.780 20.098 12,3%
  davon Pneumonie, Altersgruppe >=85 80.161 16.306 20,3%
Gesamt     351.645 39.581 11,3%

Dazu nehmen wir die Zahlen von Herrn Prof. Dr. Wieler (Leiter des RKI) aus der PK vom 31.03.2020 zu den Todesfällen mit positivem Covid 19 Tests und stellen sie den Zahlen des statistischen Bundesamtes gegenüber.

Quelle: Pressekonferenz RKI Prof. Wieler 31.3.2020 Todesfälle mit positivem Test davon männlich davon weiblich
Todesfälle mit positivem Test auf Covid 19     583    
Verstorbene, Test positiv          
  Altersgruppe < 20 0 0 0
  Altersgruppe < 30 1 0 1
  Altersgruppe < 60 30 26 4
  Altersgruppe 60-69 44 32 12
  Altersgruppe 70-79 130 102 28
  Altersgruppe 80-89 305 185 120
  Altersgruppe >= 90 71 38 33
Gesamt     581 383 198

2 Todesfälle keiner Altersgruppe zugeordnet
Durchschnittsalter der Verstorbenen 80 Jahre

Genau kann man die Zahlen nicht vergleichen, da die Altersgruppen nicht vollständig vergleichbar angegeben sind. Allerdings kann man daraus sehen, dass in Deutschland jährlich ca. 39.000 Menschen an Lungenentzündungen sterben. Das ist auch eine der berichteten Haupttodesursachen bei Covid19.

Offen ist die Frage, ob derzeit mehr Menschen an Lungenentzündungen sterben als in anderen Jahren?

Die Mahner sagen jetzt, dass die große Welle noch kommen wird. Aber woraus speist sich diese Aussage? Wir wissen aktuell noch immer nicht exakt wie viele Erkrankte beatmungspflichtig werden und bauen weiterhin Kapazitäten dafür auf. Ganze Abteilungen werden geschlossen, um alles einer möglicherweise kommenden Welle von Covid19-Fällen unterzuordnen. Assistenten werden aus den Augenabteilungen abgezogen und in die Innere verlegt, Chefärzte müssen Intensivkurse belegen und Praxen dürfen in einigen Bundesländern nur noch Notfälle behandeln.

Die meisten Entscheidungen in der Medizin werden evidenzbasierend getroffen, aber woher kommt aktuell die Datenbasis für diese Evidenz? Müssten wir nicht alles dafür geben solide und belastbare Zahlen zu haben?

Unser Plädoyer ist, unterstützen wir jede Maßnahme die eine solide Entscheidungsgrundlage ermöglicht, damit wir diese gesellschaftlichen Vollbremsung soll bald wie möglich auf statistisch und medizinisch korrekter Datenbasis überdenken können, so wie das für alle Mediziner Berufsalltag ist.